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Internet/ Industrie 4.0/ IT
Denkschrift Nr. 36
12.11.2019

Die unterschätzte Wucht der Digitalisierung

von Andreas Seidel

 

 

Der erste Teil der Kritik an der ersten nach-industriellen Revolution (Denkschrift Nr. 35) hatte die ökonomischen Fehlentwicklungen durch die Plattformwirtschaft zum Gegenstand. In diesem zweiten Teil geht um die Auswirkung auf die zukünftige Wirtschaftsgesellschaft.

 

Von Carly Fiorina, der ehemaligen Chefin von Hewlett-Packard stammt der Satz: „Alles was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.“ Dieses Diktum ist zu erweitern um: Alles was digitalisiert werden kann, wird vermachtet. Die heute allgemein gebräuchliche Formel von der digitalen Transformation hat einen eigentlich viel zutreffenderen Begriff verdrängt, den bereits 1991 von Mark Weiser in seinem Aufsatz The Computer for the 21st Century geprägte und lange Zeit bestimmenden Begriff des Ubiquitous Computing(1), der Allgegenwart der Informationstechnologien; der viel eindeutiger beschreibt, was sich gegenwärtig vollzieht. Auch Karl Polanyis Analyse der großen Transformation(2) von den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der Industrialisierung ist wesentlich aussagefähiger, als die Geschichte der mit der Dampfmaschine beginnenden industriellen Revolutionen. Und die von Marshall McLuhan in den 1960er Jahren entwickelte Formel, „Das Medium ist die Botschaft“ ist heute in bedrückender Weise perfektioniert.(3)

Die Machtformationen sind heute „immanent und netzwerkförmig, stellen das Verhältnis zwischen Zentralität und Dezentralität, von Hierarchie und Anarchie, neu auf. Das klassische Denken von Macht als Verfügungsgewalt über andere wird von dieser Entwicklung verkompliziert, wenn nicht gar an seine Grenzen gebracht.“(4) Daher ist es wichtiger nach den Mechanismen der Macht, als nach ihren Akteuren zu fragen. Die hier formulierte Position geht damit auch weiter und tiefer als die von Shoshana Zuboff unzweifelhaft richtig formulierte Kritik am Datenkapitalismus.(5)

Das Ende des Privaten

Die Totalisierung des Digitalen wird dazu führen, dass am Ende der Raum für eine Privatgesellschaft verschwindet. Kennzeichnend für die aktuelle Phase der Digitalisierung ist, dass „sich selbst organisierende Maschinen […] auf den verschiedensten Sektoren des gesellschaftlichen Lebens Führungsaufgaben [übernehmen], die lange Zeit den Menschen vorbehalten waren; Planen, Entscheiden, Überwachen, Alarmgeben. Die ›Selbstorganisation‹ und die universelle Maschine des Computers führen zu einer Technik, die Personen und Projekte, Probleme und Programme, Routinen und Ereignisse erfasst, sie laufen gleich einer Welle durch alle Natur und Kultur hindurch.“(6)

Digitalisierung als Machtinstrument

Im Begriff der digitalen Transformation bzw. Revolution ist angelegt, dass es nicht um neue Technik geht, sondern um eine grundsätzliche Veränderung der Handlungsbezüge(7), in denen wir als Menschen gegenüber der Digitalisierung stehen. Der Einsatz digitaler Technik wird so unmittelbar zu einem Einflussbereich unterschiedlicher wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Interessen durch die „möglicherweise […] mächtigsten Werkzeuge, die jemals von unserer Zivilisation angefertigt wurden“(8). Dagegen ist die von den zivilen Entwicklern des World Wide Web geschaffene Erzählung von der demokratischen Zukunft durch Digitalisierung ein grundlegender Irrtum. Da ist ein elementarer Fehler technokratischen Denken auszumachen, nämlich dass man mit seinem Produkt einfach noch mal in die Werkstatt gehen kann, ein Bauteil auswechselt und neu beginnt. Das ist wohl auch ein Irrtum, dem Tim Berners-Lee unterliegen dürfte, der mit seiner Initiative „Solid“ ein Neustart für das Internet schaffen möchte. Den „von einem neuen «Gesellschaftsvertrag» oder gar einer digitalen «Magna Carta»“(9), die sich einfach durch „gute Technologie“ umsetzen ließe, sind wir weiter entfernt als je zuvor.

Die Macht der technischen Infrastruktur

Tiefe Machtstrukturen sind schon in der technischen Organisation des Internets selbst angelegt. Der Begriff Netzneutralität ist gleichsam ein Euphemismus für … Daten fließen nicht einfach nur durch das Netz. Vielmehr wird dieser Fluss durch eine Vielzahl von Microentscheidungen unterbrochen, die in jeder Vermittlungsstation, jedem durchlaufenen Router einer Prüfung unterzogen werden. Diese können rein technisch, den effizientesten Weg der Nachricht zur Auslastung des Netzes regeln. „Zusammengenommen bilden diese Mikroentscheidungen eine blendend schnelle, hypereffektive, automatisierte, neutrale Bürokratie.“(10) Die Idee des Internets war die einer freien und offenen Kommunikation unter „Gleichen“. Heute bestimmen zunehmend die technischen Infrastrukturen der Internetprotokolle an den unzähligen Netzknoten, ob und unter welchen Bedingungen Nachrichten ihre Empfänger erreichen und ob sie ggf. als Duplikate an staatliche Stellen gelangen.(11)

„Wir haben es also mit einer Radikalisierung der Ausübung von Gesetzen zu tun, vielleicht dem elaboriertesten und umfassendsten System zur Gesetzesausübung, das je erdacht wurde.“(12) Der von Lawrence Lessig geprägte Begriff „Code is Law“ verweist auf eine Parallelstruktur zu unserer Rechtsordnung, die nicht nur tief in der Infrastruktur des Internets eingegraben ist, sondern mit immer mehr Algorithmen und KI-Systemen, die menschliche Entscheidungen subsituieren.

Wirtschaftliche Machtinteressen der Digitalisierung

Zentraler Impuls der Digital- und Plattformwirtschaft sind gigantische Investments, vor allem ein hoher Anteil an Barkapital, der nach höchst rentierlichen Anlagemöglichkeiten(13) sucht. Wichtiger Impuls der Plattformen, insbesondere der Vermittler wie Uber, AirBnB, Takeaway, aber auch Amazon, ist die Möglichkeit durch ihre Marktmacht Wertschöpfung von vielen kleinen Akteuren abzuziehen, zu bündeln, dem Kapitalmarkt als Anlagemöglichkeit verfügbar zu machen, um damit die Marktmacht weiter zu konzentrieren. Dabei geht es stets um den von den institutionellen Anlegern geforderten Platz eins im Börsenranking, hinter dem alle anderen Verlierer sind.

Im Zentrum steht praktisch die Akkumulation und Verwertung immer größerer Datenbestände, die bei der Nutzung digitaler Dienste entstehen. Diese Datenbestände werden nicht nur abgeschöpft, sondern die Nutzer werden durch manipulative Methoden der Aufmerksamkeitspsychologie zu einer ständigen Nutzung ihrer digitalen Endgeräte animiert. Dadurch entsteht eine Dauerbeschallung der Nutzer/Konsumenten. Und je weiter sich diese Endgeräte sich z.B. in Schulen verbreiten, desto größer die Begehrlichkeit, die Reichweite dieser Beschallung zu erhöhen(14), die verbliebenen Räume der Nicht-Beschallung zu eliminieren.

Die Nutzung digitaler Medien fällt auch deshalb aus dem Privaten heraus, weil Facebook, Google und Co im Hintergrund die Nutzung unentgeltlich für eine ständige Verbesserung der Algorithmen verwenden, aus Aktivitäten Werbeprofile erstellen und anzeigen oder filtern bzw. selektieren, welche Informationen Nutzer angezeigt bekommen.

New Work – Hybris fragwürdiger Arbeitsverhältnisse

Die Illusion von einer sich tragenden demokratischen Entwicklung ist der Geburtsfehler des aus der digitalen Transformation abgeleiteten „New Work“(15). Dabei handelt es sich um ein Sammelsurium arbeitsorganisatorischer Konzepte, die die Eigenverantwortlichkeit der Beschäftigten erhöhen und flexibilisieren sollen, allerdings auch die Grenzen zur Selbstausbeutung verwischen.(16) Krönung dieses Widersinns ist ein nach der neuen Arbeitsweise organisiertes Unternehmen, das digitale Systeme für Überwachung und Manipulation der Nutzer entwickelt oder Methoden perfektioniert, um User von Apps abhängig zu machen.

Die Praxis des New Work zeigt, dass in vielen Fällen Leistungsverantwortung, und damit ggf., die Selbstausbeutung zunehmend an das Ende der Arbeitskette delegiert wird. Korrektive Formen betrieblicher und unternehmerischer Mitbestimmung geraten dabei ins Hintertreffen. Die immer wieder angeführte Freiwilligkeit der so Beschäftigten ist nur ein geschickter Vorwand. Denn auch hier gilt: There’s no Alternative. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem lösen sich auf.(17)

Im Ganzen treibt die Digitalisierung eine systematische Enteignung individueller (Bürger-) Werte in Gestalt von Daten. Der Einzelne wird immer weiter abhängig gemacht durch ständig neue Apps und Devices, die nicht nur seine Aufmerksamkeit kontrollieren wollen, sondern ihn auch noch anfixen, ständig Geld und/oder eigene Daten und/oder Arbeitsleistung zu deren Nutzung einzubringen.

Staatliche Machtinteressen

Mittlerweile wächst die Begierde des Staates auf die Daten seiner Bürger, in deren Folge Datenschutz und bestehende Schutzrechte ausgehöhlt werden. Die generelle Unschuldsvermutung gegenüber dem Einzelnen wird, durch das Ziel ständig und anlasslos Daten zu sammeln und in einer möglichen Verbrechensbekämpfung einzusetzen, ausgehöhlt. Auffallend ist dabei, dass staatliches Überwachungsinteresse im Vordergrund steht. Dagegen werden die Möglichkeiten für das Gemeinwohl, nämlich eine bürgerfreundliche digitale Verwaltung und eine größere Transparenz staatlichen Handelns oft nur zögerlich angegangen.

In dem Maße wie der Staat sich bei der Entwicklung der Digitalisierung in die Hände von Consultants(18) begibt, macht er sich die Grundregeln der digitalen Verwertung zu eigen.

Billigersatz für Bildung

Nicht einmal das Ziel, Wissen im Internet frei verfügbar zu machen, ist erfüllt. Häufig haben wir es mit vielfältigen Varianten zu tun, verfügbares Wissen zu manipulieren, zu deformatieren(19) oder gar zu verhindern. Der Bereich der Bildung wird darüber hinaus immer stärker digitaler Reproduktion unterworfen. Maßgebliche Forderungen an einen digitalen Unterricht sind an kurzfristigen Erwartungen ausgerichtet. Einerseits dient die Ausstattung der Schulen vor allem Hard- und Softwareanbietern. Andererseits besetzen Anbieter wie Apple oder Google zunehmend den Markt digitaler Lerninhalte. Ein pädagogisch-didaktisches Gesamtkonzept digitaler Bildung ist dagegen nicht erkennbar. Stattdessen geht es um kurzfristig gedachte Wünsche nach dem perfekten Maschinenbediener. Von dem Bildungsdigitalpakt profitieren bislang vor allem die Hersteller der technischen Infrastruktur. Auf der anderen Seite fehlt ein didaktisches Konzept, das einen reflektierenden Umgang mit dieser Technik ermöglicht.

Gesellschaftliche Debatte mit blindem Fleck

Die erste nachindustrielle Revolution zerstört die Nachhaltigkeit nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Gesellschaft. Der strukturelle Fehler der digitalen Transformation in ihren ökonomischen Ausprägungen ist das Fehlen des Faktors Macht in der Gleichung. Ohne Macht mit einer benennbaren Größe in diese Formel einzusetzen, sind alle Zukunftsversprechen schon im Ansatz gescheitert. Die Digitalisierung, einschließlich der resultierenden Plattformwirtschaft, wirkt heute als Frontend einer Entwicklung, die die Finanzmärkte in den Mittelpunkt der Entscheidungsgewalt gerückt hat. Diese sehr effizienten Machtinstrumente schwächen den gesellschaftlichen Gestaltungsanspruch systematisch. Wo der Staat nicht versucht, sich digitale Überwachungsmöglichkeiten selbst nutzbar zu machen, läuft er der Digitalisierung als Instrument privatwirtschaftlicher Interessen hinterher. Dies zeigt sich bei der Einschränkung von Machtmissbrauch durch globale Player und der Förderung wettbewerblicher Alternativen; gleichermaßen in der Gestaltung einer Technik, die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.(20)

Selbstentmachtung der Entscheider

Der ökonomisch als auch politisch aufgebaute Druck führt zu einer Selbstentmachtung der Entscheider. Alles digital Neue wird schon begrüßt, bevor man deren kurz- und langfristige Auswirkungen überblickt, geschweige denn hinterfragt. Das Streben nach Marktführerschaft in digitalen Techniken, gerade im schärfer werdenden Wettbewerb mit China und den USA hat diese Entwicklung noch befördert. Man rennt in großer Gläubigkeit Citizen Scores, Gamification und Consumification hinterher, obwohl sich diese in Europa nicht mit den Leitbildern von Wirtschaft und Gesellschaft vertragen. Der Mangel an Selbstbewusstsein ist jedoch eine ernste Bedrohung. Das für die Auseinandersetzung mit Großtechnologien bewährte Instrument der Folgenabschätzung und Alternativenbewertung von Technologien bei der Digitalisierung auffällig unauffällig geblieben. Dadurch ist aber eine bedenkliche Lücke entstanden, um auch andere Lösungswege aufzuzeigen und der Öffentlichkeit bewusst zu machen.

Ubiquitous Computing verlangt nach demokratischer Kontrolle

„Man könnte somit aus der Innovationsgeschichte die Vermutung ableiten, dass es so etwas wie ein ‚retardierendes Moment‘ gibt, dass also disruptive technische Neuerungen zunächst eher Fluch als Segen für die Gesellschaft als Ganzes bringen. Es wäre naiv zu meinen, dass diesmal alles anders wäre“ …, heißt es in einem jüngsten Regierungsgutachten.“(21) Das nachindustrielle Verwertungsprinzip nutzt die allgegenwärtige Verfügbarkeit der Digitalisierung. Dabei ist die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen oder staatlichen Interessen zweitrangig. Ohne das grundsätzliche Verständnis der Bedeutung und der Funktionsweisen von Macht in der neuen digitalen Welt wird eine demokratische Kontrolle nicht gelingen. Man kann Unternehmen wie Facebook zerschlagen. Damit ist kein Problem der neuen strukturellen Macht gelöst.

Andreas Seidel, November 2019

 

ANMERKUNGEN

(1) Johann Binzer, Sarah Spiekermann, u.a.: TAUCIS – Technikfolgenabschätzung: Ubiquitäres Computing und Informationelle Selbstbestimmung. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Kiel/Berlin 2006
(2) Karl Polanyi: The Great Transformation. The Political and Economic Origins of Our Time, Boston 2001
(3) Marshall McLuhan: Understanding Media: The Extensions of Man, London and New York 1964
(4) Anja Breljak und Rainer Mühlhoff: Was ist Sozialtheorie der Digitalen Gesellschaft?, in: Rainer Mühlhoff, Anja Breljak, Jan Slaby (Hg.): Affekt Macht Netz. Auf dem Weg zu einer Sozialtheorie der Digitalen Gesellschaft, Bielefeld 2019, S. 12
(5) Shoshana Zuboff: Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus, Frankfurt/M. 2018
(6) Gerhard Gamm: Unbestimmtheitssignaturen der Technik, in: Gerhard Gamm, Andreas Hetzel (Hg.): Unbestimmtheitssignaturen der Technik. Eine neue Deutung der technisierten Welt, Bielefeld 2005, S. 18f.
(7) Dieser Begriff geht zurück auf die Unterscheidung der neueren Technikphilosophie, die zwischen Technik, als den technischen Artefakten und Technologie als dem interessen-geleiteten Einsatz von Technik, technischer Praxis unterscheidet. Dies kann die Techniknutzer betreffen, wie auch diejenigen, die durch ökonomisches oder politisches Handeln über den Einsatz von Technik entscheiden; vgl. Bernhard Irrgang: Philosophie der Technik und Technologie – ein Überblick, Darmstadt 2008.
(8) Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU): Unsere gemeinsame digitale Zukunft. Hauptgutachten, Berlin 2019, S. 4
(9) Evgeny Morozov: Das World Wide Web wird 30. Das digitale Netz dringt in alle Lebensbereiche vor — mit noch immer unabsehbaren Folgen, Neue Züricher Zeitung, 17.04,2019
(10) Christopher M. Kelty: 45 3c 2a a5 d4 31 40 00 40 fd 47 8b 32 74 05 05 51 13 91 26, in: Florian Sprenger, Politik der Mikroentscheidungen: Edward Snowden, Netzneutralität und die Architekturen des Internets, Lüneburg 2015, S. 13; Anm.: Der als alphanumerische Code formulierte Titel entspricht dem Nachrichten-Header, mit dem Kelty seinen Beitrag über das Internet verschickt hat.
(11) Technisch gesehen wird der Nachrichtenfluss an jedem Knoten zur Verarbeitung der Protokolle unterbrochen, so können heute die Netzwerkbetreiber z.B. festlegen, ob sie bestimmten Kunden eine bevorzugte Weiterleitung gewähren oder Staaten können kontrollieren ob ein- und ausgehende Nachrichten an ihren Knoten gestoppt, ggf. Geheimdiensten zur Auswertung verzweigt oder umgeleitet werden.
(12) Ebd., S 14
(13) Diese Renditen müssen nicht notwendig aus operativen Erlösen stammen. Viele basieren lediglich auf Spekulationsgeschäften, andernfalls würden Unternehmen wie Uber, die sogar ins Börsenprospekt schreiben, dass sie möglicherweise nie Gewinn erzielen werden, nicht so einen hohen Kapitalzufluss erhalten.
(14) Mit der Digitalisierung von Schulen drängen auch Unternehmen wie Apple und Google mit Bildungsangeboten nach vorn, um schon frühzeitig und zum Teil diskret ihr Weltbild zu vermitteln: z.B. Wissen muss man nicht mehr wissen oder aus anderen Quellen. Man googelt einfach auf der Grundlage immer weiter perfektionierter Algorithmen – there’s no Alternative.
(15) Unter New Work wird der oft nur schablonenhafte Einsatz neuer Organisationsformen verstanden: agile Arbeit, Holokratie, Verlagerung von Verantwortung auf die Beschäftigten, Gig-Economy, Home Office Arbeit, Selbstoptimierung wie Work-Life-Blending. Den Einzelnen werden mehr Pflichten übertragen, deren Rechte im Gegenzug aber im Unklaren gelassen. Hier geht es nicht um durchaus erfolgreiche Einzelprojekte, sondern die unreflektierte Verwendung von New Work als alternativloses Dogma einer neuen Arbeitswelt, in der gesellschaftlichen Verantwortung nicht vorkommt.
(16) Unter dem Vorwand der als positiv dargestellten Eigenverantwortlichkeit werden aber oft nur die Machtverhältnisse gegenüber den so Beschäftigten schöngeredet oder verschleiert.
(17) Sei es durch ein unvergüteten Rundumverfügbarkeit durch das Smartphone in Freizeit und Urlaub, sei es durch das besonders in Startups verbreitete Bild einer Lebensgemeinschaft, das den Privatbereich außerhalb der Arbeitsgemeinschaft weiter verdrängt. Im ersten Fall haben nur Beschäftigte in Unternehmen mit betrieblicher Mitbestimmung, die Chance auf entsprechende Vereinbarungen.
(18) Vgl. Manfred Hoefle: Para-Government. Zum problematischen Verhältnis des Staates zu externen Beratern, Managerismus-Denkschrift 22, 2016
(19) Ziel von Bildung ist es Zusammenhänge über Wissen herzustellen, in der Welt von Google und Co. bestehen diese aber oft nur in den statistisch generierten Zufälligkeiten oder Ähnlichkeiten: z.B. wer Beitrag A gelesen hat, hat auch oft die Beiträge X, Y, Z gewählt.
(20) Denkbar wären hier z.B. Modelle einer Smart City, die nicht nur der Optimierung bürokratischer Effizienz folgen, sondern auch neue Bürgerbeteiligungen ermöglichen.
(21) Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU): Unsere gemeinsame digitale Zukunft. Hauptgutachten, Berlin 2019, S. 4

 

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