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Unternehmen & Branchen
Denkzettel Nr. 88
10.10.2024

Die Volkswagen AG — Ein „manageristisches“ Unternehmen

von Manfred Hoefle

 

 

Über kein anderes deutsches Unternehmen wird so viel berichtet – mehr als über den gesamten Mittelstand; so viel zur publizistischen Ausnahmestellung. VW ist außergewöhnlich. Zum einen ist es ein Konzern, der in allen Belangen von der der Gewerkschaft IG Metall „mitbestimmt“ ist, näher der Wirklichkeit „co-managed“. Zum Anderen unterliegt VW in allen wichtigen Entscheidungen der 1/5-Sperrminorität der niedersächsischen Landesregierung (Stichwort „VW-Gesetz“). VW ist mit Abstand größter Arbeitgeber in diesem Automobil-lastigen Bundesland. Die Einflüsse (v. a. „Haustarif“) und Eigentumsverhältnisse (Niedersachsen, Qatar, Porsche Automobil Holding SE) des 1960 privatisierten Unternehmens machen es zu einem Sonderfall von Corporate Governance.

Ein kurzer Rückblick

Im Jahr 2004 kam es zu einem Gewinneinbruch von 50 Prozent. Schon damals wurden neben einer Absatzflaute die hohen Löhne und die zahlreichen Abfindungen als Gründe vorgebracht. VW zahlte damals gut 10 Prozent über Branchendurchschnitt. Im folgenden Jahr gelangten Fälle von Korruption und Fehlverhalten an die Öffentlichkeit. Das Vorzeigeunternehmen der Paritätischen Mitbestimmung begünstigte nämlich Betriebsräte auf unangemessene, moralisch bedenkliche Weise. Die Tarifverhandlungen von 2006 hatten eine umfassende Beschäftigungsgarantie und erweiterte Beteiligungsrechte der Arbeitnehmerseite zum Ergebnis. 2015 nahm der Abgasskandal seinen Anfang, der bis heute einen direkten Schaden von rund 30 Mrd. verursachte, zudem einen großen Reputationsschaden für die gesamte deutsche (Auto-)Industrie. Das Verhalten der VW-Spitze im Dieselskandal kann - beschönigend - als wenig verantwortungsvoll bezeichnet werden; auch das eine typisch manageristische Haltung.

VW wollte hoch hinaus: Man gab sich das Ziel, weltgrößter Automobilhersteller zu werden. Das gelang zuletzt 2020. Seitdem wurde VW von Toyota überholt.

Was macht Toyota anders

Die beiden gleichalten Automobilbauer sind in vielerlei Hinsicht grundverschieden. Toyota ist im Kern ein familiäres Unternehmen geblieben, aktuell mit dem Urenkel des Gründers an der Spitze. Legendär ist die bis heute gelebte Unternehmenskultur („The Toyota Way“) mit den Elementen Langfristigkeit, Prozessorientierung, Mitarbeiterentwicklung und ständige Verbesserung. Fälle von Korruption und Qualitätsmanipulation haben sich nicht ereignet. Das Lohnniveau ist im nationalen Maßstab Durchschnitt, die Managementvergütung überaus moderat.

Dazu insbesondere “Top-Management-Vergütung: Negativ-Benchmark VW — Vergleich zu Toyota".

Das Geschäftsgebaren ist unternehmerisch, vorsichtig, einem Mittelständler ähnlich. Wie kein anderer globaler Autohersteller setzt Toyota auf ein Mix von Technologien: Verbrenner, Wasserstoff, Plug-in-Hybride und Batterie/Elektro. Letztere hat noch einen sehr geringen Anteil, weil man annimmt, dass eine rasche Transformation zu großen Arbeitsplatzverlusten führen würde und wegen der hohen Preise von Elektroautos eine Kaufzurückhaltung einträte und für Japan immense Investitionen in eine entsprechende Infrastruktur erforderte. Toyota ist global stärker diversifiziert, weit weniger vom chinesischen Markt abhängig als VW.

Ein grober Performance-Vergleich macht die Auswirkung der vorgenannten Eigenschaften und Gegebenheiten deutlich. Umsatzbezogen liegt Toyota knapp vor VW. Der Nettogewinn ist doppelt so hoch – und die Belegschaft um 45 Prozent kleiner.

Toyota ist robust. Unter Abwägung aller Einflüsse und Risiken hat der VW-Rivale gute Aussichten, erfolgreich zu bleiben. Das „Gewerkschaftsunternehmen“ VW dagegen hat dauerhaft mit Selbstblockaden und manageristischen Praktiken zu tun. Eine dringend notwendige Grundreform der Corporate Governance ist außer Reichweite.