DIE FRAGWÜRDIGEN GESCHÄFTE DER WELTGRÖSSTEN UNTERNEHMENSBERATUNG
Als Ursula von der Leyen, die heutige EU-Chefkommissarin, im Jahr 2013 von Ex-Kanzlerin Angela Merkel auf den Posten der Verteidigungsministerin gehievt wurde, hatte sie weder von der Sicherheitspolitik, noch von der ihr unterstellten Bundeswehr viel Ahnung. Also suchte sie Rat und Tat dort, wo schon ganze Hundertschaften deutscher Führungskräfte vorstellig wurden: bei der aus den USA zugewanderten Beratungsgesellschaft McKinsey.
Viel ist über die „Meckis“ wie die Abgesandten des wohl größten Wissenskonzerns der Welt in den Vorstandsetagen genannt werden, geschrieben worden, und nicht immer waren es freundliche Worte. Daß Anspruch und Wirklichkeit bei den smarten Beratern oft weit auseinanderklaffen, war dem Manager-Magazin eine Titelgeschichte wert, und auch Managerismus-Initiator Manfred Hoefle brandmarkte in einem frühen „Schwarzbuch“ das Wirken der teuren Ratgeber als gefährlich für das Gemeinwohl wie für viele ihrer Klienten.
Doch nun hat die Kritik mit dem 2022 in den USA und kurz danach in Deutschland erschienen Titel „When McKinsey Comes to Town“ (deutsch: „Schwarzbuch McKinsey“) eine neue Dimension erreicht. Die Verfasser Walt Bogdanich und Michael Forsythe, zwei Investigativreporter der „New York Times“, forschten über 10 Jahre lang das Innenleben und den politischen Einfluß der verschwiegenen Consultants aus – und das Ergebnis ist niederschmetternd.
Meckis erobern die Hardthöhe
Auch Ursula von der Leyen mußte für das Engagement der Meckies büßen. Nachdem es ihr 2014 gelungen war, bei McKinsey die Seniorpartnerin – ein Posten, der für gewöhnlich mit mehr als einer Million Dollar Jahresgehalt entlohnt wird – Katrin Suder abzuwerben und ihr den wesentlich geringer bezahlten Job als beamtete Staatssekretärin anzudienen, da ahnte sie vermutlich nicht, daß sie vier Jahre später als Zeugin vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß würde Rede und Antwort stehen müssen.
Denn die Ex-Beraterin nutzte die Freiheiten, die ihr die Ministerin eingeräumt hatte, um das marode Beschaffungswesen der Bundeswehr auf Vordermann zu bringen, weidlich aus. In ihrem Buch berichten die NY-Times-Reporter über ein Gespräch, das sie mit einem ranghohen Manager der Beratungsgesellschaft führten: „Katrin wurde auf einen Posten gesetzt, auf dem sie immer wieder McKinsey beauftragen konnte“.
Tatsächlich öffnete die Staatssekretärin im Berliner Bendlerblock wie auf der Bonner Hardthöhe (dem Doppelsitz des Verteidigungsministeriums) die Flügeltüren für den Einfall der Meckies. Über 100 Millionen Euro gab das Ministerium nach Recherchen des Wirtschaftsmagazins „Capital“ für oft zweifelhafte Beraterleistungen aus – pro Jahr. Erst 2020 endete die Laufzeit der „Rahmenverträge“.
Nachdem ein Prüfbericht des Bundesrechnungshofs von Insidern an Journalisten durchgestochen wurde, brach über Ursula von der Leyen die „Berateraffäre“ herein. Ausgiebig berichteten die Medien über die hemdsärmelige Vergabe von millionenschweren Aufträgen an eine Tochterfirma von McKinsey. Die Rechnungsprüfer hatten festgestellt, daß die meisten Aufträge ohne Ausschreibung vergeben und auch nicht ordnungsgemäß dokumentiert wurden.
Suder erhält das Ehrenkreuz
Der Stuhl der Ministerin wackelte bedenklich, doch CDU-Kanzlerin Merkel rettete ihre Parteifreundin, in dem sie ihren Einfluß in Brüssel geltend machte. So wurde Ursula von der Leyen vom McKinsey-Opfer am 16. Juni 2019 zur neuen Chefin der EU-Kommission. gewählt. Und auch ihre Familie hat unter der Berateraffäre nicht gelitten: Sohn David arbeitet im kalifornischen Silicon Valley für McKinsey, Tochter Johanna in der Berliner Dependance, mit Schwerpunkt Autoindustrie.
Katrin Suder, die ihr das ganze Debakel eingebrockt hatte, kehrte 2018, versehen mit dem Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold, zu ihrer alten Firma zurück und wurde anschließend auch noch in den zehnköpfigen Digital-Beirat der Bundesregierung berufen, obwohl sich durch den millionenteuren Einsatz der „Meckis“ am trostlosen Zustand der Streitkräfte wie des Beschaffungswesens wenig geändert hatte. Das Muster wiederholt sich in unzähligen Fällen immer wieder: McKinsey kommt unbeschadet aus allen Affären heraus und wird größer, reicher und mächtiger als zuvor, während nicht wenige ihrer Kunden zu der Erkenntnis gelangen: außer Spesen nichts gewesen.
Bilanz des Schreckens
Bogdanich und Forsythe legen eine Bilanz des Schreckens vor. Allerdings widmen sie 13 Kapitel dem Treiben der Berater in den USA, und nur im Schlußkapitel gehen sie auf McKinsey Deutschland ein, dabei hätte es reichlich Gründe gegeben, hier ein wenig genauer hinzusehen. In keinem Land der Erde, die Vereinigten Staaten eingeschlossen , erreichte die 1926 in Chicago von dem Buchhalter James O. McKinsey gegründete Beratungsgesellschaft eine solche Bedeutung wie in Old Germany. Schon bald, nachdem sie 1964 das erste Büro in Düsseldorf eröffnet hatten, verunsicherten die smarten Consultants Deutschlands Bosse mit Hiobsbotschaften über deren Rückständigkeit. Mit geschickt aufbereiteten Benchmark-Tabellen versuchten sie nachzuweisen, daß man in den USA viel produktiver arbeite als im rheinischen Kapitalismus, den sie als zu arbeitnehmerfreundlich und zu wenig profitorientiert diffamierten. Gleichzeitig propagierten sie immer neue Management-Methoden, die zu mehr Übersicht und Kontrolle in den Konzernen führen sollten.
Die Schwächen der Deutschen
Warum die Kampagne, mit der McKinsey in nahezu allen westlichen Industriestaaten Fuß faßte, gerade in Deutschland so erfolgreich war, hat viel mit einem Mann zu tun, den viele für einen genialen Beziehungspfleger, andere für einen gerissenen Scharlatan halten. Der gebürtige Schwabe Herbert Henzler, gelernter Großhandelskaufmann, heuerte 1970 bei „the Firm“ an, wurde 5 Jahre später Partner und 1985 schließlich Chef der deutschen Niederlassung. Binnen weniger Jahre verschaffte er sich Zutritt zu Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsleitungen der meisten Großunternehmen, und nur wenige der deutschen Topmanager wiesen ihm die Tür.
Unter Henzlers Führung verbuchte die deutsche Dependance jahrelang höhere Umsätze und Gewinne als die Muttergesellschaft in den Vereinigten Staaten. 27 der 30 Dax-Konzerne lieferten zeitweilig Honorare bei McKinsey ab. .Einer der wenigen, der nichts mit Henzler zu tun haben wollte, war der ehemalige VW-Chef Ferdinand Piech. Anders als sein Vorgänger Carl H, Hahn, mochte er nicht akzeptieren, daß frisch diplomierte Betriebswirte in den Diensten einer amerikanischen Beratungsgesellschaft mehr vom Autogeschäft verstehen sollten, als seine kampferprobten Vorstandskollegen.
Der erstaunliche Erfolg der Company – McKinsey beschäftigte 2022 rund 38000 Mitarbeiter in 65 Staaten und generierte einen Umsatz von mehr als 15 Mrd. US-Dollars – sagt denn auch viel aus über die Schwäche ihrer Kunden. Wenn hochbezahlte Topmanager Millionenhonorare für fremde Berater auswerfen, dann verstehen sie entweder zu wenig von ihrem Geschäft – oder sie bedienen sich ihrer, um unangenehme Entscheidungen nicht selbst vertreten zu müssen.
Berater als Blitzableiter
Wann immer ein Chef nach McKinsey ruft, steckt er in der Klemme. Als Herbert Diess, einer der zahlreichen Piech-Nachfolger, zu der Erkenntnis kam, daß der VW-Konzern allein in Wolfsburg mindestens 30.000 Mitarbeiter zu viel an Bord hat, da beging er den Fehler, dies dem mitbestimmten Aufsichtsrat selbst vorzutragen. Es dauerte nicht lange, bis er die Nachricht erhielt, daß sein Vertrag nicht verlängert würde. Ein weniger geradliniger Boss hätte erst mal eine Analyse bei McKinsey in Auftrag gegeben und das Ergebnis als eine Art von höherer Gewalt verkauft.
Selbstverständlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich ein Konzern Spezialwissen einkauft, etwa in Fragen des internationalen Steuerrechts, der Digitalisierung oder kultureller Besonderheiten fremder Märkte – aber es ist schwer zu verstehen,, weshalb die Strategieberatung, wie sie McKinsey anbietet, in den vergangenen Jahren einen solchen Aufschwung nahm. Die Strategie eines Unternehmens festzulegen, ist die eigentliche Aufgabe von Vorständen, und wenn sie diese Aufgabe delegieren, dann sind sie das Geld nicht wert, das ihnen der Aufsichtsrat bewilligt.
Das Gegenteil von Wertegemeinschaft
McKinsey löste dieses Problem auf seine Weise. Bogdanich und Forsythe beschreiben detailliert, wie die Berater eine Branche nach der anderen eroberten – und welchen Schaden sie in der Privatwirtschaft wie im öffentlichen Dienst anrichteten. Ihre Chronik des Grauens zeigt den Widerspruch zwischen der öffentlichkeitswirksamen Selbstdarstellung und dem tatsächlichen Verhalten des mächtigsten Wissenskonzerns der Welt. Letztlich zählt bei McKinsey der eigene Profit stets mehr als Ethik und Moral.
Bei der Jagd nach talentiertem Nachwuchs lockt die Company Hochschul-Absolventen nicht nur mit sagenhaften Einstiegsgehältern (bis zu 195.000 Dollar im Jahr), sondern auch mit dem Versprechen, einer „Wertegemeinschaft“ anzugehören. Auf dem jährlichen „Value Day“ verpflichtet die Company ihre Berater zu korrektem Verhalten und verkündet Selbstverständliches wie „Nimm die Interessen des Klienten wichtiger als die der Firma“. Tatsächlich aber passierte in der Geschichte allzu häufig das Gegenteil. Etwa, wenn die Firma mehrere Klienten aus derselben Branche betreute und die Berater ihren Wissensvorsprung dazu nutzten, ihre Auftraggeber gegeneinander auszuspielen, während sie den Kunden weismachten, intern gäbe es zum Schutz der Firmengeheimnisse unüberwindliche „Firewalls“.
Kriminelle Geschäfte
Nach den Recherchen der beiden Investigativreporter zeigte McKinsey keinerlei Skrupel, Kunden auch bei kriminellen Geschäften zu helfen. Das Mandat des US-Konzerns Purdue Pharma bescherte den Beratern denn auch den wohl größten Skandal der letzten Jahre. Purdue verkaufte unter dem Namen OxyContin ein Schmerzmittel, das als Wirkstoff ein aus dem Extrakt der tasmanischen Mohnblume gewonnenes, süchtig machendes Opiat enthielt. Obwohl Purdue alles unternahm, aufkommende Bedenken wegen der Suchtgefahr zu zerstreuen, schwächelte der Verkauf. Darum heuerte der Pharmakonzern, der der Milliardärsfamilie Sackler gehörte, McKinsey an.
Schnell analysierten die Berater die Gründe und entdeckten als eine Schwachstelle die Weigerung vieler Apotheker, das gefährliche Präparat zu vertreiben. McKinsey empfahl dem Kunden, ab sofort „den Turbolader“ anzuwerfen und zaudernden Pharmazeuten Sonderrabatte einzuräumen, gute Verkaufsleistungen mit hohen Boni zu belohnen und insbesondere Internet-Apotheken zu veranlassen, das Schmerzmittel auch ohne Rezept auszuliefern. Die Absatzzahlen legten zu, doch nun häuften sich auch die Klagen.
Der Opioid-Skandal
Staatsanwälte begannen, sich für das Phänomen „OxyContin“ zu interessieren, als sich die Todesfälle nach vermehrter Einnahme des Schmerzmittels häuften. Aus der vermeintlichen Erfolgsgeschichte entwickelte sich ein Skandal, der den Kunden Purdue in den Konkurs trieb, die Familie Sackler den größten Teil ihres Vermögens kostete und den Ruf McKinseys erheblich beschädigte. Als herauskam, daß zwei Berater versuchten, belastende Unterlagen zu vernichten, geriet McKinsey selbst in den Fokus der Ermittler und zahlte schließlich, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, eine Strafe von 600 Millionen Dollar.
Der sich so fürsorglich und verantwortungsbewußt gebende Beraterkonzern machte laut den New-York-Times-Reportern bedenkenlos Geschäfte mit Diktatoren wie Xi Jinping aus China, Mohamed bin Salman (MbS) aus Saudi-Arabien oder Wladimir Putin aus Rußland. Auch vor offensichtlich korrupten Regierungen zeigten die smarten Jungs aus New York City keinerlei Berührungsängste, wie der Transnet-Skandal aus Südafrika offenbarte.
Milliarden-Debakel in Südafrika
Der staatlich kontrollierte Eisenbahnkonzern ist das größte Verkehrsunternehmen auf dem afrikanischen Kontinent, beschäftigt 60 000 Mitarbeiter und betreibt ein Tausende Kilometer umfassendes Schienennetz. McKinsey sollte helfen, das wenig erfreuliche Betriebsergebnis zu verbessern und schickte bis zu 100 Berater ans Kap der Guten Hoffnung. Sie gaben das Mandat auch nicht zurück, als drei zwielichtige Gestalten den Vorstand kaperten. Die aus Indien eingewanderten Brüder Aiav, Aitul und Rajesh Gupta (nicht zu verwechseln mit dem langjährigen McKinsey-Boss Rajat Gupta, der wegen Insiderhandels 2012 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde) standen im Ruf, als Günstlinge des korrupten Staatspräsidenten und Vorsitzenden der Regierungspartei ANC Jacob Zuma die Staatskasse um hunderte Millionen Dollar geplündert zu haben.
Ähnlich wie bei Bergbau- und Elektrizitätsgesellschaften ging sie auch bei Transnet vor. McKinsey fertigte im Auftrag des Vorstands Studien an, die ein stürmisches Wachstum des Verkehrsaufkommens erwarten ließen und rechtfertigten damit die Bestellung neuer Lokomotiven und Waggons im Wert von 2,5 Milliarden Dollar (die nachträglich um eine weitere Milliarde aufgestockt wurde).Als die für den tatsächlichen Bedarf viel zu zahlreichen und überteuerten Loks dann eintrafen, stellten die Transnet-Experten fest, daß sie wegen einer nicht kompatiblen Spurweite gar nicht auf ihr Schienennetz paßten. Das für Südafrika blamable Geschäft, das den Guptas über schnell gegründete Scheinfirmen die Taschen füllte, hatte für die Berater zunächst keinerlei nachteilige Folgen. Im Gegenteil: zum Dank für ihre Hilfe durften sie anschließend der in finanzielle Not geratenen Transnet dabei helfen, die Kosten zu senken – was in letzter Konsequenz Entlassungen bedeutete.
Eine Stadt verrottet
Ihren Ruf als Kostenkiller verteidigen die Meckis bis heute mit Erfolg. Den amerikanischen Originaltitel „When McKinsey comes to Town „ wollten die Autoren als Warnung verstanden wissen. Was wirklich passiert, wenn die Meckis kommen, schildern sie am Beispiel der knapp 70.000 Einwohner zählenden Industriestadt Gary im Nordwesten des US-Bundesstaats Indiana. 1906 von der US Steel Corporation als Sitz für ein neues Stahlwerk gegründet, erlebte der Ort am südlichen Ende des Michigansees für Jahrzehnte einen erstaunlichen Aufschwung. Um 1960 zählte Gary 177.000 Einwohner. Doch als die Geschäfte des größten amerikanischen Stahlherstellers infolge billiger produzierenden Konkurrenten aus Asien wie durch gravierende Fehler des Managements einbrachen, geriet Gary in den Abwärtssog.
2013 kürte US-Steel den in Brasilien geborenen Mario Longhi zum neuen CEO, und der vergab gleich einen millionenschweren Auftrag an McKinsey mit dem Ziel, den Aktienkurs in die Höhe zu treiben. Die Berater implementierten einen „ transformativen Businessplan“, den sie vollmundig „The Carnegie Way“ nannten, zu Ehren des legendären Gründers von US-Steel.
Tatsächlich zog die Notierung der Stahlaktie an, nachdem das Unternehmen für 2014 nach sechs Verlustjahren erstmals wieder einen kleinen Gewinn auswies und Longhi von einem „phänomenalen Erfolg“ des McKinsey-Plans sprach. Wenig später verkaufte er seine eigenen Aktien mit beträchtlichem Gewinn, bevor die Wahrheit hinter der Hochglanzfassade sichtbar wurde..
Bereits im ersten Quartal 2015 meldete das Unternehmen einen Verlust von 175 Millionen Dollar. Nun erhielten 9000 Beschäftigte einen Brief , in dem ihnen mitgeteilt wurde, daß sie mit baldiger Entlassung rechnen müßten .Heute ist Gary ein Problemfall; junge und gut ausgebildete Bewohner fliehen, zurück bleiben Ältere mit geringer Qualifikation, vorwiegend afroamerikanischer Herkunft. Die Anzahl begangener Verbrechen liegt 75 Prozent über dem Landesdurchschnitt, viele Gebäude sind unbewohnt, US-Medien nennen die sterbende Stadt das „Pompeji des mittleren Westens“.
Das Klima leidet
Das segensreiche Wirken der Consultants bekam auch dem Weltklima nicht gut. 43 der 100 größten CO2-Emittenten ließen sich von McKinsey beraten, und dabei ging es keineswegs um die Verringerung des Ausstoßes des klimaschädlichen Gases, sondern fast immer um die Verbesserung der Effektivität, und manchmal auch um Analysen, welche die Harmlosigkeit der Geschäfte von Öl-Gas- und Kohle-Konzernen belegen sollten.
Als Erik Edström im australischen McKinsey-Büro eine intern zirkulierende Folie zu Gesicht bekam, die den Titel trug: “Wie man in sechs Monaten aus einer Kohlegrube einen Diamanten macht“, begann er am Sinn seiner Arbeit zu zweifeln. Fortan appellierte an seine Kollegen, stets die Folgen für den Klimawandel zu berücksichtigen. Seine Chefs empfanden ihn als Störenfried ; im Juli 2019 mußte er die Firma verlassen. In seiner Abschiedsmail an die Kollegen hieß es: „Meiner Meinung nach ist McKinsey eine amoralische Institution“. Natürlich ließ die Company den Vorwurf nicht auf sich sitzen und behauptete, für Klienten auf der ganzen Welt zu arbeiten, die sich mit dem Klimawandel befassten – dabei stand im Jahr 2020 kein größeres Unternehmen auf der Kundenliste, das an Erneuerbaren Energien arbeitete.
Eine Gefahr für die Demokratie
Unbestritten ist die Wirkmächtigkeit des Beratungskonzerns, doch die Zweifel an den Folgen für Kunden und Öffentlichkeit wachsen. McKinsey nimmt für sich in Anspruch, seinen Klienten zu mehr Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu verhelfen; über den Schaden, den die Berater dabei anrichten, wird nicht gesprochen. Sie festigen die Herrschaft der Managerkaste gegenüber Kunden, Mitarbeiter und Aktionären; mit ihren oft zweifelhaften Studien, Analysen und PowerPoint-Präsentationen bringen sie Unruhe in die Betriebe und Verwaltungen. Bei den Belegschaften sorgen sie für Angst und Demotivation.
Seit sie begonnen haben, ihren Aktionsradius auf Regierungen und den öffentlichen Dienst in vielen Staaten der Welt auszudehnen, werden sie zu einer Gefahr für die Demokratie. Wenn nicht mehr der Wille gewählter Volksvertreter, sondern Präsentationen von McKinsey den Ausschlag bei der Entscheidung über die Verteilung der Etats geben, ist etwas faul im Staate.
Zu besichtigen ist dies am Niedergang des von McKinsey seit vielen Jahren beratenen britischen Gesundheitsdienstes NHS wie an der umstrittenen Abschiebepraxis der amerikanischen Einwanderungs- und Zollbehörde ICE – und, zur Erinnerung- am miserablen Zustand des Bundesamts für Beschaffung und Wehrtechnik in Koblenz. Natürlich sind die Meckis nicht allein schuld an all den von Bogdanich und Forsythe recherchierten Mißständen. Trotz ihrer teuren Expertise und dem Einsatz tausender smarter Consultants sind diese aber zumindest nicht kleiner geworden. Höchste Zeit für Aktionäre, Aufsichtsräte, Abgeordnete und Regierungsvertreter, dem Treiben des parasitären Unternehmens Einhalt zu gebieten.