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Parabusiness
Denkschrift Nr. 23
13.02.2017

Parabusiness — Die Vorherrschaft der USA

von Manfred Hoefle

 

 

Macht bzw. Einfluss können auf verschiedenen Pfeilern stehen. In der Politik, im Staatenverbund sind es militärische und wirtschaftliche Stärke. In der Wirtschaft sind es gewöhnlich Mono- / Oligopole aufgrund von Alleinstellungsmerkmalen oder gesetzlicher Möglichkeiten, schiere Größe und hohe Einstiegs-/Wechselhürden. Man könnte sie unter Hard power zusammenfassen. Aber es gibt auch die "weiche Macht" (Soft Power(1). Diese gründet auf kultureller Anziehungskraft, gemeinsamer Ausbildung, Innehaben von Leitungspositionen, gut funktionierenden Wirtschaftssystemen und -formen, Sprache, Wissenschaft, Technik; also überwiegend kulturelle Faktoren. Aus der gelungenen Verbindung von hartem und weichem Einfluss wächst "Smart Power". Der Paradefall dafür ist das US-beherrschte Parabusiness, wozu all die professionellen Dienstleister zählen, die sich im Dienste des Top-Managements und auf Kosten der Anteilseigner strategischer, rechtlicher, finanzieller und regulativer Komplexität annehmen; das sind Strategieberater, Investmentbanker, Rechtsanwälte, Executive/Personalberater, Kommunikationsspezialisten und IT Service Provider. Bei diesen handelt es um ein kaum wahrgenommenes, unterschätztes Netz über alle Volkswirtschaften hinweg.

Wie es dazu kam

(2) Früher als in Kontinentaleuropa breitete sich die Unternehmensform der Kapitalgesellschaft aus, die gewinnorientierte Corporation. Mit dieser verschob sich schon vor gut einem Jahrhundert die Macht allmählich zugunsten des angestellten Managements. In Folge der Trennung von Eigentum und Leitung in den vielfach durch Konzentration entstandenen und zu Publikumsgesellschaften gewordenen Konzernen bildete sich ein professionelles Management heran, das die Stellung zum seinem Gunsten ausbaute und seine Haftung einzuschränken wusste. Dafür wurden immer mehr professionelle Dienstleister herangezogen, die aus Eigeninteresse dieses lukrative Geschäft smart voranbrachten.

Auch auf der Kapitalseite wuchs der Bedarf an Beratern, die eingegangene und potentielle Beteiligungen auf ihre Bonität und Solidität untersuchten; ein frühes Geschäft von McKinsey. Der erste wichtige Anlass, den Kapitalmarkt strenger unter die Lupe zu nehmen, war der Börsen-Crash von 1929, in dessen Folge die Anforderungen an die Berichterstattung (v.a. Quartalsberichte) angehoben und die SEC, die amerikanische Börsenaufsicht, ins Leben gerufen wurde. Fortan lässt sich feststellen, dass in den USA mit jeder Krise und nach so manchem Bilanzskandal die Anforderungen an Rechnungslegung und Reporting erheblich angehoben wurden: so 2002 der Sarbanes-Oxley-Act und infolge der Finanzmarktkrise 2010 der Dodd-Frank-Act. Ein immer größeres Gewicht erhielt die Kontrolle der Regelkonformität (Compliance) in allen Varianten, schließlich sogar mit anschließender Zertifizierung der Compliance-Systeme.

Ein sich immer wieder aufschaukelndes Geschäft waren Branchenkonsolidierungen, M&A in allen erdenklichen Variationen. Im großen Stil begann es mit der "Conglomerization", dem Zusammenbau von Misch-Konzernen, setzte sich fort in Transaktionen zur Verschlankung von Unternehmen im Zuge von sogenannten Portfolio-Bereinigungen und des Asset-Stripping, mündete in einer Vielzahl von Outsourcing-Projekten und im Offshoring. Die Deindustrialisierung der USA war in die Wege geleitet.(3) Der Einzug des Shareholder-Value als kollektive Ausrichtung auf den Kapitalmarkt zog einen großen Bedarf an zweckdienlichen Beratungsleistungen bis hin zu Incentivierung und Executive Search nach sich.

Ein wichtiger Wachstumsbereich des Parabusiness in den US war vor allem in den letzen 20-30 Jahren die Informatisierung von Geschäftsprozessen und -systemen jeglicher Art. Neben den etablierten IBM, HP, Dell, Oracle, Accenture(4) wuchs eine Reihe spezialisierter großer IT-Beratungen und -dienstleister (einschließlich Cloud, Big Data, Data Security, Forensic Data Analysis) heran.(5) Ein blühendes Geschäft waren die ständige Optimierung der strategischen Ausrichtung, einmal in Richtung Diversifizierung, dann wieder zur Fokussierung auf Kernkompetenzen und -geschäfte. In den 1990er-Jahren bis zur Jahrtausendwende blühte die "New Economy" auf; sie brachte vorübergehend eine revolutionäre Sicht auf etablierte und neue Geschäfte und Unternehmen. Schwerpunktmäßig bis vor zehn Jahren wechselten sich Managementkonzepte ab, die von Business Schools und Beratern lanciert wurden und die sich im Nachhinein meist als Moden herausstellten; sie waren jedoch unentbehrliche Wachstumsimpulse für das Beratungsgeschäft.

Anfang der 1990er-Jahre nahm die Globalisierung rasch Fahrt auf; sie gab der rund 20 Jahre davor einsetzenden Internationalisierung vieler US-Konzerne (Stichwort: Multinationals) eine neue Dimension. Katalysator und Begleiter dieser bis heute anhaltenden Entwicklung waren vor allem die Strategieberatungsunternehmen McKinsey, Boston Consulting u.a.

Von den großen Internet-Playern, den "Big-5“ in Kalifornien abgesehen, ist kein Sektor der amerikanischen Wirtschaft so stark und global, aber auch so unauffällig gewachsen wie das Parabusiness. Dies ist eine Folge der Transformation weg von industrieller Wertschöpfung zu einer international organisierten Transaktionsökonomie. Das Parabusiness hat eindeutige Züge einer "Abschöpfungsökonomie".(6)

Dominante Player

Die USA bieten eine unnachahmliche Kombination von Vorzügen für diese Art des Dienstleistungssektors. Das sind zunächst die "harten" Faktoren: Größe und Entwicklungsstand des Heimatmarktes, internationale Präsenz vieler Fortune500-Unternehmen, die Welthandelsbörsen NYSE und Nasdaq mit der SEC als Regulierungsbehörde mit umfangreichen legislativen, exekutiven sowie judikativen Kompetenzen. Teilen der deutschen Öffentlichkeit wurde der lange Arm der SEC im Korruptionsfall Siemens gewahr, als die amerikanische Kanzlei Debevoise & Plimpton gewissermaßen exterritorial tätig wurde.(7) Als "weiche" Faktoren zählen naturgemäß die englische Sprache als Business Esperanto, das weltweit vorherrschende Ausbildungsmodell des MBA, eine Überfülle an Business Schools mit Spitzeninstitutionen wie Harvard, Stanford, Sloane, Wharton mit ihrer großen Attraktivität für ausländische Studenten und schließlich der "American way of life" als ein Prägemuster westlicher Zivilisation.

Dass amerikanische Unternehmen des Parabusiness eine starke Stellung haben, entspricht den Erwartungen. Diese werden aber von der Feststellung übertroffen, dass alle Segmente, abgeschwächt bei Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwaltsbüros(8), von ihnen beherrscht werden:

In der Strategieberatung sind die „Großen-3“ McKinsey, Boston Consulting Group (BCG) sowie Bain.

In der Business Beratung und im Outsourcing ist es an erster Stelle die an der New Yorker Börse gehandelte Accenture (früher Andersen Consulting) mit weltweit rund 400 Tausend Mitarbeitern, gefolgt von den Beratungsgesellschaften der „Big-4“ Deloitte, EY (Ernst & Young), KPMG (Klynfeld, Peat, Marwick, Goerdeler), PwC (PricewaterhouseCoopers).

Im Investmentbanking sind JP Morgan, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Bank of America und Citigroup die weltgrößten Allround-Player.

Das Ratinggeschäft wird nahezu exklusiv von den beiden Rating-Agenturen Moody's und Standard & Poors beherrscht.

Das Institutional Shareholder Service-Segment (Hauptversammlungs-/Stimmrechtsagenturen und die Spezialisten für Capital Market Communication und Forensic & Litigation Consulting (v. a FTI-Consulting).

In der Personal- und Organisationsberatung beherrschen amerikanische Dienstleister mit großem Abstand die Branche, allen voran die Korn-Ferry-Hay Group (Leadership, Talent, Compensation). Dieses an der NYSE-gelistete Unternehmen hat 7000 Beschäftigte in 88 Büros auf allen Kontinenten. In den letzten 10 Jahren hat sich ihr Umsatz dank zahlreicher Übernahmen regionaler und spezialisierter Anbieter verdreifacht.
In Sachen Altersversorgung (Employee Benefit) ist der jeweils große, globale Player die an der Nasdaq gehandelte Willis Towers Watson(9).

Im Bereich Risk Management und Versicherungen ist es Marsh & McLennan.

Im "Law Business" sind von den 200 größten Kanzleien rund 70 Prozent amerikanisch (15 Prozent britisch und jeweils 5 Prozent europäisch bzw. asiatisch. Die fünf umsatzstärksten sind Latham & Watkins, Baker & McKenzie, DLA-Piper (2016), Skadden, Arps, Slate, Meagher & Flom und Kirkland & Ellis mit Hauptsitz Chicago, Los Angeles, New York.

Ausgehend von England reicht das "Prüfungsgeschäft" weit in das 19. Jahrhundert zurück.(10) Durch Verschmelzungen mit amerikanischen Gesellschaften und durch Übernahmen konsolidierte sich die Wirtschaftsprüferbranche 1987 zu acht großen Gesellschaften, aus denen durch weitere Fusionen und den Untergang von Arthur Andersen infolge des Enron-Skandals 2001 im Wesentlichen das weltweite Oligopol der „Big-4“ (Deloitte, EY, KPMG, PWC) entstand. Die Marktmacht zeigt sich darin, dass etwa 90 Prozent der in den großen Börsenindizes (S& P, FTSE, DAX u. a.) gelisteten Unternehmen von ihnen geprüft werden. Die Größe dieser aus Haftungsgründen dezentral organisierten Verbünde von Gesellschaften liegt bei jeweils rund 200.000 Mitarbeitern; exemplarisch dafür ist PwC mit 756 Büros in 158 Ländern. Wenig bekannt ist, dass die Gesellschaften PWC und EY zu den zehn größten "privately owned organizations" der USA zählen.

Die „Big-4“-Gesellschaften sind unabhängig vom Sitz des Headquarters (London, New York, Amsterdam) stark US-beeinflusst. Amerikanische Geschäftspraktiken, Compliance- und Börsenregularien und Kapitalmarktkommunikation überlagern immer mehr nationale Unterschiede. Zwischen der SEC und dem American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) sowie dem Financial Accounting Standards Board (FASB) bestehen enge Arbeitsbeziehungen. Die CEOs bzw. Chairmen sind weitestgehend in den USA geschulte Partner. Aufgrund des enormen Informationsvorrats besteht die Aussicht, dass einige dieser Gesellschaften daraus ein "Intelligence Business" machen. Deloitte hat 2007 mit der Abwerbung von CIA-Personal den Anfang gemacht.

Analysiert man die in jüngster Vergangenheit verstärkte Konzentration im gesamten Parabusiness-Sektor, liegt der Schluss nahe, dass sich neben der weiteren Globalisierung in Richtung Asien der Trend zu größeren Einheiten mit einem breiteren Spektrum an vormals spezialisierten Segmenten durchsetzt (full sizing-one stop). Die Aufkäufer und Fusionierer sind meist amerikanische Branchenführer, die sich aufgrund von Größen- und Synergie-Vorteilen Renditepotentiale erschließen wollen. Die Abkehr von den früher überwiegend standesmäßig aufgestellten Firmen und Sozietäten geht offensichtlich unentwegt hin zu Gewinn maximierenden, börsengehandelten Unternehmensgruppen. Die Fälle von IPOs machen Schule, zumal sie dem jeweiligen Management ein üppiges Einkommen einbringen. Wie in anderen Bereichen sind die USA auch beim Parabusiness Schrittmacher in der Kapitalisierung von Geschäften.

Strukturelles Übergewicht des Parabusiness in den USA

Mit dem Rückzug aus der industriellen Wertschöpfung, die weniger als die Hälfte der deutschen gemessen am Bruttoinlandsprodukt ausmacht - und die mit der neuen Präsidentschaft nicht von ungefähr zu einem nationalen Anliegen geworden ist, hat sich der gesamte Dienstleistungssektor der USA stark ausgeweitet; sowohl in den "cheap jobs" der Gastronomie, des Transportwesens, Gesundheitssektors und weiterer Sektoren als auch in den sogenannten "classified, high paid services"; in den letzteren war das Wachstum besonders stark. Dorthin wanderte ein großer Teil der College-und Universitätsabsolventen.(11) Besonders augenfällig ist der Vergleich der wenigen Zentren der USA mit dem Land dazwischen: Der ehemalige shop floor of the world(12) wurde zum office wing of the world . Eine solch große Unausgewogenheit ist für kleine Volkswirtschaften unproblematisch, für die USA aber ein grundlegend strukturelles Problem von langer Dauer, dessen Virulenz anlässlich des jüngsten Präsidentschaftswahlkampfs hervorbrach.

Die Übermacht des amerikanischen Parabusiness wird im Vergleich zu deutschen Anbietern deutlich: Die größte deutsche Management-/Strategieberatung erreicht dem Headcount nach gerade mal etwas über zehn Prozent der Größe von McKinsey. Die anderen deutschen Consulting-Firmen wie Simon-Kucher & Partners sind zwanzigmal kleiner. Die größte deutsche Wirtschaftskanzlei Hengeler Mueller ist unter den europäischen Anbietern erst an 25. Stelle. weltweit unter ferner liefen. Dies zeigt den bescheidenen Rang des deutschen Parabusinesses, nahezu seitenverkehrt zu dem in den USA.

Bedenkliche Folgen

Das Parabusiness ist ein Abbild des Verhältnisses Wirtschaftssystems zu kapitalmarktorientierter "Wert"-schöpfung.(13) Vor allem seit den 1990er-Jahren, die für die verbreitete Einführung des Shareholder Value, die starke Zunahme an BWL/MBA-Studenten, sowie eine überaus starke Expansion amerikanischer Beratungsfirmen(14) stehen, ist der Abstrahleffekt auf die Wirtschaft und die Unternehmen nicht zu übersehen. Als Indizien sollen vier für deutsche Großunternehmen eingetretene bedenkliche Erscheinungen dienen.

Erstens: Shareholder Value (SHV)
Dieses seit Anfang der 1980er-Jahre von GE angewandte Kapitalmarktkonzept wurde von Siemens in Vorbereitung auf den Gang an die New Yorker-Börse(15) pilotiert. Dazu beigezogen wurde die bis dahin wenig bekannte amerikanische Beratungsgesellschaft Stern Stewart & Co. Alsbald wurde der SHV von einer Reihe von DAX-Unternehmen (Daimler, Veba, u.a.) übernommen. Im Zuge dieser Neuausrichtung wurden schließlich die Incentivierung der Leitungsebenen auf breiter Basis eingeführt, die Züge einer Zwei-Klassengesellschaft in den Belegschaften hat.

Zweitens: Listing von DAX-Unternehmen an der New Yorker Börse (NYSE).
Der von amerikanischen Beratern und Investmentbankern in Gang gesetzte Hype, sich am Mekka des Kapitalmarktes handeln zu lassen und dort platzierte Aktien als "Tauschwährung" für M&A einzusetzen,, veranlasste eine Reihe von DAX-Unternehmen sich auf die dortigen Anforderungen unter hohen Umstellungskosten für die geänderte Rechnungslegung einzulassen; erforderlich wurde eine "doppelte Buchhaltung" nach HGB und US-GAAP. Später zogen sich Allianz, Altana, Bayer, BASF, Daimler, EOn, SGL Carbon, Telekom und Siemens nicht zuletzt wegen der hohen Kosten und der "Unterwerfung" unter die SEC zurück. Nur die Deutsche Bank(16), SAP und Fresenius Medical sind verblieben.

Drittens: Wachsende Zahl von Vorständen mit MBA-Ausbildung u./o. Parabusiness-Erfahrung.
Naturgemäß führt die größere Gesamtheit von MBA-Absolventen und die aufgrund der "up or out"-Personnel-Policy amerikanischer Consultingfirmen, kombiniert mit einem Placement-Support, zu einer zunehmenden Zahl von Ex-Beratern im Leitungskader von Großunternehmen. In besonderem Maße trifft dies auf Banken (CEO HVB: Weimer) und Versicherungen (CEO Allianz: Bäte) zu(17). In rund zwei Drittel der DAX-Unternehmen ist ein früherer McKinsey-Mann auf Vorstandslevel vertreten. Die Alumni-Netzwerk-Effekte erweisen sich bei der Rekrutierung von Spitzenpositionen als hochwirksam.

Viertens: Loslösung der Vorstandsvergütungen von der allgemeinen Gehaltsentwicklung.
Im Gleichschritt zu der Einführung des Shareholder Value und den Fusionen bzw. Großübernahmen(18) in den USA verdoppelten sich die Vorstandsvergütungen innerhalb von zehn Jahren (von der zweiten Hälfte der 1980-er Jahre von damals durchschnittlich 440 Tausend Euro), um abermals bis 2007 nochmals um den Faktor Drei auf fast 3 Millionen Euro zu steigen. Der frühere Gehaltsabstand eines Vorstandes in einem typischen deutschen Großunternehmen zu seinen Angestellten auf der untersten Ebene stieg vom 15-Fachen auf das 50-Fache.

An dieser enormen Einkommensspreizung (wie auch bei den Großübernahmen) waren einschlägige amerikanische Berater maßgebend beteiligt. Überhaupt war die Zahl der speziell mit der Vergütung von Vorständen befassten überwiegend amerikanischen Berater sprunghaft angestiegen; das gilt auch für die konzerninternen Vergütungsfachleute. Zusammen mit Investor Relations und Kapitalmarktkommunikation sind diese das in DAX-Unternehmen am stärkste gewachsene Beschäftigungssegment. Der damit intendierte Wertschöpfungsbeitrag erschöpft sich mit einer höheren Kapitalisierung - weitgehend entkoppelt von Innovation, Wertschöpfung und Mitarbeiterbeteiligung.

Bedenkliche Szenarien

Die fortlaufend perfektionierten Relationship-Ansätze sind: Marketing ständig neuer Konzepte, enge Betreuung durch Client Account-Manager, Job-Placement bei Klienten, Präferenz für Auftragsvergabe an die ehemalige Firma. Der Erfolg ihrer Wirkung zeigt sich in der Entwicklung von Key-Accounts.

Ein wenig zuversichtliches Bild ist das folgende: Die amerikanische Hegemonie des Parabusiness-Komplexes leitet weltweit eine Angleichung der Geschäftspraktiken ein und somit einen Abbau an Vielfalt der Unternehmenswelt. Kollegiale Verbindungen zwischen Strategieberatern, Investmentbankern, Wirtschaftsprüfern schaffen unerwünschte Abhängigkeiten. Die Anhäufung von Wissen über nichtamerikanische Unternehmen kann ein Risikofaktor werden. Die Verbundwirkungen im aggressiver werdenden Parabusiness sind derart, dass sie zu Interessenskonflikten im Verhältnis zu Klienten führen. Insgesamt ist eine Schwächung der für das Gemeinwohl wichtigen Realwirtschaft wahrscheinlich.

Ein problematisches, doch naheliegendes Szenario ist die weitere Expansion des Parabusiness, indem die Realwirtschaft mit Reglementierung und bürokratischen Prozeduren immer stärker beaufschlagt wird: Was für die einen eine Last ist, ist für die anderen ein gutes Geschäft. Eine durch Eigengeschäft aufgeblähte und von komplexen "Produkten" aufgepumpte Nominalwirtschaft stellt ein Blasen-Risiko zulasten der Steuerzahler dar. Das hat die jüngste Finanzkrise unübersehbar demonstriert. Als Beispiel mag genügen: AIG, der weltgrößte Versicherer, musste mit 182 Milliarden USD Steuergelder vor dem Untergang bewahrt werden. Der Aufwand für die "Aufarbeitung" des Falles durch Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfer und eine Vielzahl von Beratern soll rund eine Milliarde USD erreicht haben.

Das amerikanische Parabusiness ist in hohem Maße im Gleichklang mit den Fortune500 und der Managerismus-Kultur globalisierungsgetrieben und Nutznießer vor allem während der letzten 25 Jahre vorangeschrittenen Vernetzung von Industrie, Dienstleistungen, Versicherung und Finanzierung. Größe in Form von globaler Präsenz ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Das amerikanisch geprägte und beherrschte Parabusiness ist zum Vorreiter der Globalisierung geworden.

An ständiges Wachstum gewöhnt werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um zusätzliche hochprofitable Geschäfte zu erkämpfen. So erklären sich das gezielte Eindringen der „Big-4“ in das Beratungsgeschäft, die Einflussnahme zugunsten einer vorteilhaften Regulierung(19) und die über eine ausgeprägte Bonifizierung des Spitzenpersonals angeregte Vereinnahmung von Kunden. Die abschöpfende Charakteristik zulasten der Unternehmen und Anteilseigner ist nicht zu übersehen.

Eingrenzung der Folgen

Die Globalisierung scheint an einem Wendepunkt angekommen. Die USA machen erste Schritte auf dem Wege zurück zu einer primär national-orientierten Welt (America first!), mehr auf bilaterale statt multilaterale Beziehungen und metastaatliche Verhältnisse. Die wertschöpfende und beschäftigungsschaffende Industrie soll wieder einen größeren Stellenwert bekommen. Auch soll die Regulierung wieder auf ein neues Maß zurückgefahren werden. Das bedeutet eine neue Austarierung des Verhältnisses Realwirtschaft zu Nominalwirtschaft, von industrieller Wertschöpfung zu Dienstleistung in der Ausprägung des Parabusiness.

Mit gutem Grund darf angenommen werden, dass andere Länder von sich aus - oder gezwungenermaßen - auf diesen Weg einschwenken. Der Brexit ist ein Vorbote der Erosion oder gar Zerlegung überstaatlicher, bürokratisch-institutioneller Strukturen.

Die EU wird sich des ursprünglichen Auftrages bewusst werden müssen, die Interessen ihrer Mitgliedsländer nach Möglichkeit zu schützen und zu stärken. Dazu gehören Maßnahmen, (zu) große Strukturen, (zu) starke Konzentrationen von Marktmacht zurückzuführen. Es ist an der Zeit, sich bewusst zu werden, wer die Akteure und Profiteure sind.

Ansatzpunkte zu Korrekturen liegen auf der Hand, beispielsweise die Auftrennung der “Big-4“, die Trennung des Auditing von der Beratung. Letzeres wurde von der EU angestrebt, aber nicht durchgehalten, was auf starkes Lobbying oder einen schwachen Regulierungswillen schließen lässt. Lediglich die mit einer Dauerbeziehung verbundene Gefahr der nachlassenden Prüfungsqualität wurde durch die zögerlich in Kraft gesetzte Rotation (mit Verlängerungsoption) der Abschlussprüfung nach zehn Jahren eingeschränkt.(20) Zu fragen ist, ob die Corporate Governance überhaupt wirksam ist, wenn beispielsweise überschießende Kreativität in Lösungen der Steuervermeidung gelenkt wird.
Desweiteren sind Begrenzung und Korrektur von Reglementierung; überhaupt eine breite Vereinfachung der Rechnungslegung, der Steuern, der Zertifizierung überfällig.
Aufsichts- und Regulierungsbehörden sind angehalten, die in den vergangenen 20 Jahren erfolgte bedenkliche Konzentration im Parabusiness ernst zu nehmen und alle Möglichkeiten der Verhinderung von de-facto-Monopolen zu nutzen; sonst ergeht zu Recht der Vorwurf der Einseitigkeit, bei der die Realwirtschaft übervorteilt wird. Übrigens: Ein weiterer bedenklicher Mangel an Regulierung und Überwachung besteht sowohl auf dem Grauen Kapitalmarkt und auch in der Internetwirtschaft bzw. Plattformökonomie.(21)

Bei umfassender Würdigung regulierungsrelevanter Bereiche der Wirtschaft bestätigt sich der Vorwurf ungenügender Regulierung des Parabusiness. Und von Selbstbescheidenheit ist nichts zu merken. Gründe dafür sind die "Smartness" und das enge Beziehungsflecht der Akteure in die Politik, die in aller Regel "schwierige" Materie und schwer durchschaubaren Geschäftspraktiken (insbesondere die als Klientenschutz ausgegebene angeblich strenge Vertraulichkeit(22) und die zum Teil bis in die jüngste Vergangenheit fragmentierte, transnationale Anbieterstruktur.(23) Wegen der in vielen Belangen fragwürdigen Praxis des US-dominierten und hochkonzentrierten Parabusiness tun europäische Länder gut daran, sich um eigene, an die kulturellen Eigenheiten angepasste Lösungen zu bemühen und sie nicht einem globalisierungsaffinen Mainstream zu überlassen.

Das von der Politik unterschätzte US-dominierte Parabusiness verlangt nach konsequenter Eindämmung. Angesichts der Smartness der Player und ihrer Verbindungen zur sogenannten Elite wird dies ein steiniger Weg. Doch der Wechsel zu mehr Überschaubarkeit und Einfachheit ist im überragenden Interesse der Zivilgesellschaft.

Mandred Hoefle, 13. Februar 2017

 

 

Anmerkungen

[1] Der Begriff "Soft Power" wurde von dem amerikanischen Politikwissenschaftler Joseph S. Nye geprägt.

[2] Siehe dazu "Die Wucherung des Parabusiness

[3] Der Industrielle Niedergang der USA - Lehren für Europa

[4] Die dem Parabusiness zuzurechnende aus Andersen Consulting hervorgegangene Accenture weist einen Umsatz von 33 Mrd. USD aus; sie ist seit 2001 an der NYSE unter "ACN" gelistet. Sitz ist Dublin, zuvor Bermudas.

[5] Dieses Segment mit weiteren Unternehmen wie Palantir, SAS, Teradata u.a. wird wegen der überwiegenden Software-Ausrichtung nicht betrachtet. Pendants in Europa sind zum Teil SAP und Cap-Gemini.

[6] Siehe dazu die Denkschrift Nr. 21; Die Wucherung des Parabusiness 

[7] Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwaltskanzleien stellten Siemens 1,5 Millionen Stunden in Rechnung.

[8] Diese beiden Segemente mit Ursprüngen in England sind stark angelsächsisch geprägt. Während die „Big-4“ der Wirtschaftsprüfung (Deloitte, EY, KPMG, PWC) hochkonzentrierte, globale Netzwerke mit jeweils um die 200.000 Mitarbeitern sind, haben die größten zehn Wirtschaftskanzleien durchschnittlich 3000 Rechtsanwälte; sie sind zu einem großen Teil nach schweizerischen Vereinsrecht organisiert.

[9] Mit Headquarter London.

[10] Drei der „Big-4“ (Deloitte, EY, PWC) haben ihren Ursprung 1845 bzw. 1849 in London.

[11] In den USA waren zuletzt MBA's erstmals vor den Lehrern/Pädagogen die größte Gruppe unter den Hochschulabgängern. Dagegen war der Anteil amerikanischer Absolventen in Ingenieurfächern (im Unterschied zu Ausländern) rückläufig.

[12] Der Shopfloor ist in bedenklichem Maße nach China und Mexiko ausgelagert.

[13] Auf die Verschiedenheit des "Unternehmensverständnisses" in Kontinental-/Nordeuropa und in den USA wird in einem zukünftigen Beitrag eingegangen.

[14] Nach Aussagen von Brancheninsidern handelte es sich um das "goldene Zeitalter" für amerikanische Strategieberatungen. Deutschland war neben der Schweiz die gewinnträchtigste Consulting-Region.

[15] Von früheren Finanzvorstand und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden Hermann Baumann im Alleingang beauftragt.

[16] Die Deutsche Bank war 2016 in rund 7000 Rechtsstreitigkeiten verwickelt. Vor allem in den großen Fällen waren amerikanische Rechtsanwaltskanzleien eingeschaltet..

[17] Prominente Fälle bei Siemens waren der Kurzzeit-CEO Klaus Kleinfeld und der ehemalige McKinsey-Director Edward Krubasik.

[18] Übernahme von Bankers Trust (1999) durch die Deutsche Bank unter Rolf-E. Breuer Bankers Trust und von Chrysler (1998) durch Daimler unter Jürgen Schrempp. Der Vorstandssprecher der Deutschen Bank versprach eine "brillante und erfolgreiche Zukunft."

Zur Erinnerung: Die Welt vom 5.06.1999 verkündete: ..... ist Freitag die größte Bank der Welt geboren worden." Der Daimler-CEO bekundete: Wir wollen die Nummer eins werden." Und: "Das wird das innovativste Unternehmen, das die Welt je gesehen hat; und eines der rentabelsten." Die mit dem Daimler-Chef eng verbandelten Berater von McKinsey errechneten eine Wertvernichtung unter Schrempp von 74 Milliarden USD. Den Daimler/Chrysler-Deal orchestrierte Alexander Dibelius von Goldman Sachs (vorher Partner bei McKinsey), wofür er zum Partner und Deutschland-Chef der Investmentbank aufstieg.

[19] Als Beispiel: Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) setzte sich in dem Positionspapier zur "Verbesserung der Unternehmensüberwachung" für die Ausweitung der Quartalsberichterstattung auf alle börsennotierten Unternehmen aus.

[20] Im Rahmen der 2016 in Kraft getretenen EU-Abschlussprüferreform wurden neben der nach zehn Jahren (verlängerbar um weitere zehn Jahre) geringfügige Einschränkungen wie die gleichzeitige Beratung bei Bilanzierungs- und Steuerfragen verbindlich. Das vorbereitete Verbot der Kombination von Beratung und Prüfung kam nicht zustande. Die Big"4" bauten vielmehr das sehr profitable Consulting/Advisory durch Übernahmen (v.a. Monitor Group, Booz) kräftig aus.

[21] siehe Denkschrift Nr.19: Gründe und Wege zu einer "Charta Digitalis".

[22] Da handelt es sich um einen offensichtlichen Widerspruch: Während intern Lösungen im Rahmen von Practice Exchanges ausgetauscht werden, gilt im Außenverhältnis angeblich strikte Geheimhaltung.

[23] Bemerkenswert ist die mangelnde Transparenz bezüglich Eigentümer-/Organstruktur, Rechts- und Steuersitz.