Vor 25 Jahren hielt der damalige Bundespräsidenten Roman Herzog eine Rede im Hotel Adlon mit dem Titel „Aufbruch ins 21. Jahrhundert“. In Erinnerung ist sie als „Ruck“-Rede - und wieder unerwartet aktuell. Das zeigen die nachstehenden Aussagen und weitere Passagen, die im Verlauf dieser Denkschrift zum Zustand Deutschlands angeführt werden: „Hier herrscht überwiegend Mutlosigkeit, Krisenszenarien werden gepflegt. Ein Gefühl der Lähmung liegt über unserer Gesellschaft.“ Woran sich die Erkenntnis anschließt, dass die Situation heute verworrener, schwieriger, gefährlicher ist.
In der Politik und bei Verbänden besteht breiter Konsens zu den aufgestauten Problembereichen. Am meisten genannt sind diese fünf: Energie, Bürokratie(1), Facharbeiter, Infrastruktur, Migration. Aber sind das die wirklich substanziellen Probleme oder liegen dahinter nicht tiefgründigere, komplexere, noch schwerer lösbare Herausforderungen? Wenn schon bei diesem Befund die von der Politik lancierten Lösungen widersprüchlich sind – zum Beispiel Import von Atomstrom und fossiler Energie bei gleichzeitiger Abschaltung von KKW oder Energiesubventionierung für ausgewählte Großverbraucher – wie soll es dann zu vernünftigen, pragmatischen, beständigen Verbesserungen kommen? Und wie sehen Lösungen aus, die die Risse in der Gesellschaft beseitigen wollen? Und was bedeutet das für die so dringend notwendige Führung des Landes?
Zuerst wird ein von Hoffnung und Realitätssinn getragener Ausblick auf eine Gesundung und eine neue Ausrichtung der Sozialen Marktwirtschaft vorgestellt. Danach folgt eine Darstellung der Ursachen, die eine solche Häufung an Problemen entstehen ließen. Im Anhang findet sich eine Auflistung der Entwicklungen, die auch noch zu den Problemen jenseits der bereits erwähnten fünf geführt haben.
„Ich rufe auf zur inneren Erneuerung“. - „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen.“ - „Ich rufe auf zu mehr Selbstverantwortung. Ich setze auf erneuerten Mut. Und ich vertraue auf unsere Gestaltungskraft.“ (Roman Herzog)
Überfällige Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft
Notwendig ist die Hinwendung zu mehr Gemeinschaft, die Herstellung einer guten ‚Community-Market Balance‘. Das bedeutet Abschied vom jetzigen Sozial-Versorgungsstaatsmodell, zu dem die Soziale Marktwirtschaft ausgedünnt und verfälscht wurde. Auf der einen Seite muss die Soziale Marktwirtschaft bewahrt werden vor Kollektivismus mit den Ausprägungen obrigkeitsstaatlich, zentralistisch, unpersönlich, kalt; auf der anderen Seite von einem konsumistischen, verbrauchenden, abhängig machenden Wirtschaftsmodell befreit werden, das irreführend als Neoliberalismus bezeichnet wird. Beide Richtungen tendieren mehr oder weniger dazu, das moralische Fundament zu unterhöhlen, das für ein gelingendes Leben und das Gemeinwohl unabdingbar ist.
Der Richtungspfeil der Erneuerung zeigt auf eine gut verträgliche Gesellschaft mit vielfältigen, gewachsenen Gemeinschaften und einer dem Gemeinwohl dienenden Wirtschaft. Nach der derzeit vorherrschenden Marktgesellschaft und Sozialstaat-Ökonomie muss die Stärkung von Gemeinschaft in den Mittelpunkt gestellt werden. Das Bild von einer Sozialen Marktwirtschaft auf Basis von Eigenverantwortlichkeit der Bürger, von Beschränkung des Staates und eines tieferen Gemeinschaftsbewusstseins - ähnlich wie es in der Zeit bis in die 1980er-Jahre der Fall war. Ein solches Postulat ist nicht Geschichtsrevisionismus, sondern entspringt den Lehren aus den negativen Entwicklungen der letzten 50 Jahre.
Wie sollen Reorientierung und Restrukturierung angegangen werden?
Im Folgenden werden fünf Ansätze zum Umdenken und Handeln vorgestellt.
Erster Ansatz: Bei sich anfangen, mental umschalten, pragmatisch werden
Die einfach-schwierige Losung lautet: Bewährtes behalten und pflegen¸ dem Neuen gegenüber aufgeschlossen sein, Besseres schaffen, seinen Grundsätzen, den bürgerlichen Tugenden, dem Grundgesetz treu sein, dem Land als Heimat/Wahlheimat verbunden sein.
Grundlegend ist die eigentlich selbstverständliche Verpflichtung, für gegenwärtigen Konsum nicht die Chancen und Notwendigkeiten der kommenden Generationen zu opfern. Pragmatisch werden heißt, endlich wieder zu einfachen Regeln und Lösungen finden. In der Rückschau auf Regelungen zur Vermögensbildung, im Arbeits-, Steuer-, und Baurecht stellt sich heraus, dass sie allesamt zu kompliziert waren. Aus den Fehlern wurde nicht gelernt. Aber Weisheit, nämlich Erfahrungswissen für die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen zu nutzen, ist geboten. Die Grundsätze der Einfachheit, der Überschaubarkeit und des Zusammenspiels mit benachbarten Lösungen wurden missachtet. Entsprechende Regelungen sollten - um einige zu nennen - folgende Ausprägung haben: ausreichender Abstand von Löhnen gegenüber Bürgergeld, in bestimmten Fällen Aushändigung von Sachmitteln bzw. Verwendungsbindung statt Geld, Hilfen mit Pflichten verknüpfen, Vorsorge belohnen, Lebensarbeitszeit flexibilisieren, für Wohnungseigentum v.a. als Mittel gegen Altersarmut sorgen, Straftaten unverzüglich mit Auflagen zur Wiedergutmachung sanktionieren, das Recht auf Asyl endlich auf echte Fälle begrenzen, Zuwanderung von der Integrationsfähigkeit abhängig machen, mit Nachdruck soziale Brennpunkte auflösen. Und alles in Allem geht es darum, Bürger als Verantwortungsträger zu behandeln und nicht zu Staatsobjekten machen.
Zweiter Ansatz: Sozial als gemeinschaftlich verstehen
Das bedeutet, Gesellschaft als Bund von Gemeinschaften zu verstehen und nicht als soziologisches, ideologisches Abstraktum. Staatlich garantierte Solidarität nicht als Norm vorgeben. Kultur als gemeinschaftliches Bindemittel einsetzen. Und die Reife des Einzelnen daran messen, wie er sich für die Gemeinschaft einsetzt. Unverzichtbar ist der Rückbau des gewucherten Staates einhergehend mit einer „bürokratischen Befreiung“(2), die umfassende Stärkung föderaler Strukturen und kräftige Anreize zu Eigenverantwortung. Letzteres als Gegenmittel zu der abwechselnden, unergiebigen Taktik von Druck und Laissez-faire. Für Unternehmen gilt, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie altersgerechte Beschäftigungsverhältnisse besser zu ermöglichen.
Dritter Ansatz: Subsidiarität wirksam machen
Subsidiarität ist das Organisationsprinzip eines menschenfreundlichen Gemeinwesens. Daraus leiten sich Dezentralität bzw. Föderalismus ab. Konkret heißt das, möglichst kleine Einheiten zu schaffen und mit größerer Autonomie auszustatten, auch wenn es etwas teurer ist, dafür aber bürgerfreundlicher und auch noch ehrenamtliche Tätigkeit anregt und unterstützt. Als ein auf den ersten Blick aus dem Rahmen fallendes Beispiel kann Bayern dienen, das im europäischen Maßstab bevölkerungsmäßig und von der Wirtschaftskraft her ein mittelgroßes europäisches Land ist. Bayern weist eine traditionelle Staatlichkeit vor und verfügt über eine ausgeprägte Identität. Ein europäisches Pendant ist das italienische Südtirol. Mit dem Autonomiestatus ausgestattet, hat sich diese Provinz zu einer italienischen Musterregion mit einer starken europäischen Ausrichtung entwickelt.(3) Warum soll Bayern nicht die Vorteile einer vorteilhaften Dezentralität erhalten?
Die Einbettung in ein Europa der Regionen und Länder – an Stelle einer bürokratischen Metaorganisation und einer in den letzten Jahrzehnten fast unbemerkt erfolgten nationalen Zentralisierung (Berlin-Effekt) – ist nicht nur Wunsch vieler, sie kommt der ständig gelobten und wenig gelebten Vielfalt zugute. Nivellierung, bürokratische Gleichschaltung, Übermacht der Stärkeren und wirtschaftliche Konzentration schränken Gemeinschaften ein. Innereuropäische Wohlstandsmigration überbeansprucht sie. Regionale, grenzüberschreitende Zusammenarbeit fördert sie. Es mangelt offenbar an politischer Kreativität.
Vierter Ansatz: In der Wirtschaft muss sich der Staat auf Rahmensetzung beschränken
Es muss wieder zur Ordnungspolitik zurückgefunden werden. Die Wirtschaft soll sich um Innovation und Produktivität bemühen. Ständige Eingriffe, Verbote und Gebote sind abzustellen. Eingriffe mögen den Eindruck von Gestaltungswillen erwecken, verursachen jedoch in aller Regel Folgeprobleme und erzeugen einen Problemwust, den das im Eiltempo vorangetriebene Heizungsgesetz paradigmatisch vor Augen führte. Marktwirtschaftlichen Instrumenten wie einer CO2-Bepreisung ist der Vorzug zu geben.Unternehmen müssen wieder mehr auf Innovation und Investition und das Gemeinwohl setzen.(4) Der Deutschland auszeichnende Mittelstand mit seinen Hidden Champions und seinem hohen Maß an Verlässlichkeit kann als Referenz dienen.
Fünfter Ansatz: Aus der Geschichte und von anderen Gemeinschaften/ Ländern lernen
Bildung muss in die Breite und in die Tiefe gehen; sie setzt Erziehung und Disziplin voraus, muss von persönlichem Optimismus und einer breiten Anstrengung zu sozialem Aufschwung getragen werden, vergleichbar mit der Periode bis 1980. Dazu gehört eine Qualifizierungsoffensive (Förderung von Facharbeitern, von Studierenden der MINT-Fächer, Einschränkung der Akademisierung v.a. im Bereich Administration und Soziales. Unverzichtbar ist, ein „unternehmerisches Klima“ zu schaffen, sind doch Unternehmer unverzichtbare Antriebe eines zukunftsgerichteten Landes.
Weiters geht es um die Korrektur von Fehlentwicklungen, v.a. in der Migration(5), Städteentwicklung, im Gesundheitswesen. An Lehrbeispielen fehlt es nicht: Skandinavien und baltische Staaten sind es bei der Digitalisierung, Österreich beim sozialen Wohnungsbau und der Altersversorgung, Schweden beim Rückbau des Sozialstaates, Dänemark bei Migration, Integration und Sicherheit, Finnland beim Grundschulwesen, Italien bei der Verminderung sozialer Trittbrettfahrer, nicht zuletzt Polen bezüglich der Verteidigungsbereitschaft.(6) Darüber hinaus sind insbesondere Länder wie Kanada, Australien und Neuseeland Referenzen für das größtenteils kontrovers-ideologisch behandelte Thema der Einwanderung. Europa bietet sich als große Lerngemeinschaft an. Der Stoff zum Lernen ist umfänglich: das christliche Erbe, die humanistische Bildung, die Künste, das Handwerk, bewährte Traditionen, Erfindungen und Innovationen.
Schlussfolgernd
In einer ängstlichen Zeit ist Zuversicht Gebot. Sie vermag beim Einzelnen und in Gemeinschaften unerwartete Kräfte freizusetzen. In schwieriger Zeit Mut zu zeigen, ist eine deutsche Stärke. Auf missliche Perioden folgten solche des gemeinsamen Anpackens und dann des Aufschwungs. Erinnert sei an die Gründerjahre und die Zeit des Wiederaufbaus. Einen Deutschland-Pakt anzukündigen ist eine Sache, ihn wirksam zu machen eine andere. Er ist ohne Wenn und Aber überfällig.
Erfolgreiche Gesellschaften und Hochkulturen hatten ein optimistisches Zukunftsbild vor Augen und viel Selbstvertrauen. „Wohlstand für Alle“ von Ludwig Erhard hatte diese Qualität.(7) Wieder gefragt ist eine Erzählung, in der die Wirtschaft der Gesellschaft dient und die Gemeinschaft Fundament und Bindemittel für Wirtschaft und Gesellschaft ist. Eine gute Symbiose von Wirtschaft und Gesellschaft ist notwendig. In seiner epochalen Analyse „The Great Transformation“ kam der Wirtschaftshistoriker Karl Polanyi zum Schluss, dass Wirtschaft in die Gesellschaft integriert sein muss, dass sie anderweitig die Gesellschaft schwächt und sogar zerstört.
Was sollte diese Vision beinhalten?(8) Die Ausbalancierung von Freiheit und Bindung; eine Freiheit, die eng mit Verantwortung verbunden ist und eine gute Einbettung der Wirtschaft in die Gesellschaft. Mit dem Mittelstand hat Deutschland ausgezeichnete Beispiele.
Die Wendezeit ist da. Nach 50 Jahren der Deformation der Sozialen Marktwirtschaft als Folge des globalisierten Kapitalismus und der Ökonomisierung weiter Lebensbereiche ist eine Erneuerung im aufgezeichneten Sinne dringend anzugehen.
„Der Verlust der wirtschaftlichen Dynamik, die Erstarrung der Gesellschaft, eine unglaubliche mentale Depression – das sind die Stichworte der Krise.“ (Roman Herzog)
Mentale und strukturelle Ursachen des Abstiegs
Die Situation ist paradox: eine schwindende Zufriedenheit der Bevölkerung steht einem gewachsenen materiellen Wohlstand gegenüber. Im Rückblick war die Zeit von Ende 1950 bis Anfang 1980er-Jahre die „glücklichste“. Damals gab es mehr Gemeinsamkeit, mehr Optimismus, mehr Zufriedenheit – und das trotz oder wegen weniger Konsum und sozialer Wohltaten. Die Verdrossenheit mit der Politik ist groß. Über den wachsenden Protest breiter Kreise, wofür die AfD das Menetekel ist, herrscht Empörung und Ratlosigkeit gleichermaßen.(9) Die Ursachen liegen tief und sind auch anderswo als gemeinhin zugegeben, zu finden. Die nachfolgende grobe Auflistung von Ursachen legt das nahe.
Ausgeuferter Sozialstaat als Wohlstands- und Zufriedenheitsfalle
Der vielgerühmte deutsche Markenkern, der Sozialstaat, war vor allem im letzten Vierteljahrhundert durch das dauernde Aufdecken von Gerechtigkeitslücken und eine Inflation von Ansprüchen gekennzeichnet. Seit dem Jahr 2015 wurde das Land zudem zum selbstverschuldeten Magneten sozialer Zuwanderung. Überdies wurde der Staat immer mehr als Versorgungsanstalt gesehen und die Politik gab sich als großzügige Förderin der sozialen Gerechtigkeit aus. Freiheit, die Eigenverantwortung voraussetzt und kein Nullsummenspiel ist, wurde immer kleiner geschrieben. Pflichtbewusstsein, das der Nation nachgesagt wurde, wich immer häufiger einem Anspruchsdenken und sozialem Neid. Das Ausnutzen des Sozialstaates galt als clever.(10) Die schuldenfinanzierten Sozialleistungen liegen bei schwindelerregenden 1,2 Billionen Euro. Der Nationalstaat wurde zum Garanten sozialer Rechte, nicht aber zum Einforderer entsprechender Pflichten. Die Umkehr von Pflichten und Rechten wurde mehr und mehr zum Normalfall.
Schleichende Aushöhlung der Gemeinschaft
Wirtschaftliche Zwänge nahmen in allen gesellschaftlichen Bereichen zulasten von Familie, Gemeinden, Regionen überhand. Das mündete in den schleichenden Verlust an Gemeinschaft und den Rückgang ehrenamtlichen Engagements. Der Verlust fängt mit der immer noch geringen Vereinbarkeit von Arbeit und Familie an und setzt sich fort mit dem Auseinanderfallen von Studienplatz, Arbeitsplatz und Wohnort. Ergebnis ist eine wachsende Heimatlosigkeit, deren Langzeitwirkung auf das Wohlbefinden und den sozialen Zusammenhalt wenig beachtet wird. Bürgernähe und Gemeinschaft werden trotz ständigen gegenteiligen Bekundens wenig gewürdigt. Die Vermarktung von Wohnen(11) und Gesundheit schreitet weiter voran.
Verlust des WIR - Primat des ICH
Im Mittelpunkt steht immer mehr die Selbstoptimierung. Design your life-Ansätze, Narzissmus sind bei der Y-/Z-Generation allgegenwärtig. Die Zahl der Interessensgruppen, die ‚positive‘ Diskriminierung betreiben, hat zugenommen, von Social Media und ÖRR vorangetrieben. Kennzeichen sind „weiße, alte Männer“ und die Abwertung vieler Bürger mit der Verächtlichmachung als „Querdenker, Nazis, Impfgegner, Rassisten“. Die Militanz angeblich moralisch überlegener Minderheiten wurde größer und hat in der Zwischenzeit viele Großorganisationen erreicht.(12) Dax-Konzerne und öffentliche Verwaltungen machen sich zu Herolden von Diversity und des Genderns in der Erwartung, so Imagepunkte zu sammeln und auch noch Kunden und Bürger zu bewussteren, toleranten Menschen erziehen zu wollen. In den Medien werden ständig Risse(13) in der Gesellschaft konstatiert, ohne auf deren Ursachen vorurteilsfrei einzugehen. Die Schrumpfung der Volksparteien und die Stärkung der Ränder ist allseits beobachtbar; sie wird vehement beschworen, doch eine überzeugende Gegenbewegung ist außer Sichtweite. Die gewachsene Egozentrik zeigt sich augenscheinlich im Konsumverhalten in Form des instant fulfillment und des unbekümmerten Wegwerfens; im Medienkonsum, in aufgedrängter Werbung, in der Begeisterung für Massenspektakel; im Alltag in ungehobeltem Umgang und rücksichtslosem Fahren, mit Auto oder Fahrrad. Nach anfänglicher Euphorie über die kommunikative, freundschaftserweiternde Wirkung der Social Media haben diese sich als kolossales trojanisches Pferd entpuppt.
Geschwächte geistig-seelische Verfassung
Hauptursache für Unzufriedenheit ist die Sinnleere und damit verbunden der Verlust an Orientierung, ein Dasein in Langeweile. Konsum, Hedonismus in allen Formen, Narzissmus, Wokeness(14) sind nicht nur schlechter Ersatz, sie sind vielmehr fatale persönliche und gesellschaftliche Übel. Vermehrte Scheidungen, eine hohe Zahl Alleinerziehender, die Auflösung von Familienbindung und guter Verwandtschaftsbeziehungen richten großen Schaden an(15). Davon betroffene Kinder erwarten weniger günstige Aussichten. Wie man weiß: Angst vor der Zukunft – aus welchem Grund auch immer (Klima, Kinder, Armut, Alter) - schwächt den Willen zum Handeln, führt zu Hoffnungslosigkeit, erzeugt Selbstmitleid, verbaut die Vorstellung von einer besseren Welt.(16) In einer materiell gesinnten Welt ist Verlustangst überall gegenwärtig. Der Staat wird zum Anker für alle Unbill des Lebens, insbesondere zum Lebensende hin. Das ist ein Trugbild, da die menschliche Seite außen vor bleibt. Das zeigt sich mit am deutlichsten bei der weitverbreiteten Einsamkeit: Jeder vierte Erwachsene leidet darunter. Liegt da die Diagnose einer partiell depressiven Gesellschaft fern?(17)
Nachlassendes Streben nach Exzellenz und sozialem Aufstieg
Frühere Generationen orientierten sich gewöhnlich an sozial Höhergestellten: das Bürgertum am Adel, die Handwerker und die qualifizierte Arbeiterschaft am Bürger. In der Jetztzeit richten sich viele nach besonderen Gruppierungen: die sogenannte Szene(n), „woke“ Milieus, Influencer (kommerzbesessene Selbstdarsteller) als Idole, die Öko-/Vegan-Community mit quasireligiösen Zügen. Überwiegend sind sie Antipoden von Disziplin und Selbstforderung.
Für das verminderte Streben steht das selektive Vergleichen mit anderen Ländern. War vor zwanzig Jahren Schweden erste Referenz für einen vorbildlichen Sozialstaat, kommt das Land nach der umfangreichen Rücknahme sozialer Leistungen nicht mehr in Betracht. Die Schweiz, wiewohl Nachbarland, wird mit einer rund 15 Prozent höheren Jahresarbeitszeit, notorisch übergangen.(18) Weiteres Indiz für eine Abwertung von Leistung ist der geringe Einkommensabstand von unteren Lohngruppen zu Bürgergeld-Empfängern. Die in jüngster Zeit aufgekommene Befürwortung einer 32-Stunden-Arbeitswoche rundet das Bild ab.
Wenn Arbeit nurmehr Beschäftigung und nicht Aufgabe ist, wenn Work-Life-Balance zur Lebensformel wird, muss eine geringe Motivation unterstellt werden. Somit ist der unverzichtbare Ehrgeiz zu Innovationen und Exzellenz nicht gegeben. Das ist ein wahrlich großes Problem.
Große Gleichgültigkeit der Elite
Von den Problemen des Wohnungsmarktes, des Schulsystems, der Sicherheit ist die Elite wenig berührt, weil sie sich zu helfen weiß und es auch kann. Die Politikerklasse hat auf allen Ebenen mächtigen Zuwachs erfahren, durch die EU noch verstärkt. Viele haben Politik zur Lebensbeschäftigung gemacht und gewöhnlich mangelt es an Berufs- und Lebenserfahrung. Die ausgeuferte Zahl von Bundestagsabgeordneten korrespondiert mit einem schwer abstreitbaren Verlust an Kompetenz. Alles in allem ist es zu einer Selbstprivilegierung in Politik und Wirtschaft gekommen, die nur schwer abzustellen ist.(19) Konzernmanager kümmern sich immer weniger um Belange in nationalem Interesse und um das Gemeinwohl. Die gewachsene Distanz zu den ‚einfachen Bürgern‘ und die daraus entstehende Innensicht ist zu einem veritablen Demokratieproblem angewachsen.
Vermehrte Praxis der Haftungsvermeidung
Haftung ist eine unabdingbare Bedingung wirtschaftlichen und politischen Tuns. Es geht nicht an, dass der Smarte sich der Verantwortung entzieht und einen ungebührlichen Teil vereinnahmt. Die Bürokratie hat eine ausgeprägte Neigung, Verantwortung zu entpersönlichen und auf eigene Absicherung zu achten. In der Wirtschaft, bei den Unternehmen, hat ein von den USA kommendes und von der EU durchgereichtes Compliance-Regime Einzug gehalten. Verantwortungsvolle Unternehmensführung wurde dadurch nicht gestärkt, wohl aber Misstrauen und Bürokratie vermehrt.(20)
Ideologisierung und Moralisierung der Gesellschaft
Haltung statt Wahrhaftigkeit scheint heute gefragter denn je zu sein. Das bezieht sich insbesondere auf die Instrumentalisierung von Sprache und die Verhinderung offener und öffentlicher Dispute über gesellschaftspolitische Fragen. Das Infragestellen der Transformationsillusion „Grünes Wunder“ wird als populistisch kritisiert. Die „Linksverschiebung“ in Politik und Medien wird abgestritten. Die rigorose Berufung auf „die“ Wissenschaft schließt den demokratisch gebotenen Diskurs aus. Dem politisch erwünschten Expertismus wird eine nicht gerechtfertigte Legitimation zuerkannt. „Woke“-Einstellungen werden subtil und mit großem Nachdruck umgesetzt.(21)
Ungesundes Verhalten und unzivilisierter Umgang
Zu keiner Zeit gab es so viel Publikationen und Sendungen zu gesunder Lebensweise und gleichzeitig eine so offensichtliche Missachtung entsprechender Ratschläge. Zu beobachten ist eine zunehmend krankmachende, stressige Lebensweise, in der Ablenkung (Streaming & Gaming) den Alltag vieler ausfüllt, in der immer mehr hochprozessierte Nahrungsmittel konsumiert werden und Fast-food-Ketten bevorzugte Essensgelegenheiten sind, in der Bewegungsmangel üblich und starkes Übergewicht normal sind, in der Beschwerden aller Art medikamentös beseitigt werden sollen. Aufs Ganze gesehen hat man es mit einer Pathologisierung des Lebens zu tun. Anstelle von Vorsorge tritt die Bekämpfung von Symptomen bzw. Krankheiten. Die Folgen sind ausufernde Kosten des Gesundheitssystems und der Verlust an Lebensqualität.
Es herrscht Konsens, dass der Umgang unfreundlicher geworden ist. Die Anonymität der Social Media hat zu einem Großteil die Hoffnung auf eine Beteiligung der Bürger am demokratischen Prozess enttäuscht und ein gutes Miteinander im ‚global village‘ zerstört. Kinder wurden und werden in mediale Abhängigkeit gelotst. Das sprechende Beispiel ist TikTok.
Tugenden wie Rücksichtnahme, Ordnung, Sauberkeit und Gemeinsinn haben großen Schaden genommen. Gebäude, Siedlungen zeugen häufig von ästhetischer Verarmung. Kommunale/ Verkehrseinrichtungen zeigen eine Verwahrlosung. Im Durchschnitt ist die Kleidung zu früher billiger, einfarbiger und schlampiger.
Umsichgreifen des Managerismus
Mit dem Durchsetzen der Kapitalmarktorientierung vor 30 Jahren kam immer mehr der BWL/MBA -Managertypus zum Zuge. Kennzeichnend dafür ist die Ökonomisierung der Unternehmensführung unter Mitnahme hoher, zum Teil exorbitanter Vergütung durch das Top-Management. Dem gegenüber steht ein Defizit an unternehmerischem bzw. innovativem Handeln. Kurzfristigkeit, Wachstum durch Übernahmen von Wettbewerbern und die damit verbundene höhere Branchenkonzentration, Outsourcing, Hebelung finanzieller Parameter wurden zum Standard. Die Übertragung eigener sozialer Lasten, wie im Falle der Frühverrentung, auf die Allgemeinheit, grenzt an Unverantwortlichkeit.
Was die Eigentumsverhältnisse betrifft, befindet sich rund die Hälfte der Dax-Konzerne in ausländischer Hand. In Ausrichtung, Bindung und Führungsstil entfernen sie sich zusehends von dem in Deutschland besonders starken Mittelstand(22). Bemerkenswert ist, dass in jüngerer Vergangenheit keine neuen, bedeutenden jungen industriellen Unternehmen herangewachsen sind. SAP wurde vor gut 50 Jahren gegründet. Die Vielzahl von Unternehmensgründungen der Nachkriegszeit ist Geschichte.
Nachgelassenes nationales, (Gemeinwohl-)Interesse von Verbänden und Infrastrukturträgern
Das für Deutschland typische Verbandswesen hat sich in jüngerer Zeit merklich von seinem mitgestaltenden Impetus verabschiedet und sich auf das Lobbying verlegt. Das gilt für fast alle Verbände und Interessensgemeinschaften, von Bitcom bis VDI und ZVEI. In der Öffentlichkeit treten sie kaum mehr in Erscheinung. Dafür machen einschlägige Beratungsfirmen umso mehr von sich reden.
Die ehemaligen Bundesanstalten Post, Telekom, das Staatsunternehmen Bahn und die großen Energieversorger (RWE, E.ON) haben sich in kurzer Zeit zu manageristisch geführten Konzernen verwandelt. Das öffentliche Interesse wurde immer häufiger hintangestellt. An Investitionen in ihre jeweilige Infrastruktur wurde systematisch gespart(23), Übergewinne zu einem hohen Anteil auf größtenteils unrentable Auslandsengagements verwendet.
Zusammenfassend
Im Vergleich zur Zeit vor 25 Jahren ist das Land in mehrerlei Hinsicht ärmer geworden: relativ reich insgesamt, arm bezogen auf das persönliche Vermögen breiter Bevölkerungskreise. Der Anteil Transfereinkommen-Abhängiger (Bürgergeldbezieher) ist auf 5,5 Millionen angewachsen. Rund die Hälfte wohnt zur Miete. Eine besondere Gruppe bilden die halbe Million Migranten bzw. Asylbeantragenden. Wenn der Armutsbegriff ausgedehnt wird und damit auch Personen berücksichtigt werden, die in ungeordneten Verhältnissen, ohne ausreichende Orientierung und vereinsamt leben, schnellt die Zahl in neue Höhen. Für den Zustand eines Gemeinwesens ist der Anteil Zufriedener essenziell - und dieser wurde ständig kleiner. Das ist eine wenig eingestandene Malaise und ein offensichtlicher Widerspruch des Sozialstaates.
Statt die vorher aufgelisteten substanziellen Probleme kraftvoll anzugehen, erhalten Alibi- und partielle Gerechtigkeitsthemen eine nie dagewesene Beachtung. Die Liste ist lang: Gender, Diversity, Cancel Culture, Geschlechterwahl, Cannabis, 32-Stundenwoche. Vor dem Hintergrund des entstandenen Knäuels an Problemen gibt das Maß an Hilflosigkeit und Unwilligkeit in Politik und Regierung Anlass zu großer Sorge. Fehlender Realitätssinn und gegenseitige Schuldzuweisung verunmöglichen eine ehrliche und gründliche Ursachenanalyse. Als politische Lösung werden Umverteilung mit einer Sondersteuer für „Reiche“, die „Rente mit 63“(24), das Stopfen diverser Gerechtigkeitslücken und strukturelle Kleinreparaturen propagiert, die als soziale Errungenschaft ausgegeben werden.
Den aufgezählten Problemen ist gemeinsam: ein wirklichkeitsfremdes Menschenbild mit der Unterstellung, dass alle leistungswillig, gemeinschaftsverträglich, eigenverantwortlich, gesetzestreu sind; und die Unterstellung eines Gesellschaftsbildes, das Bindung, Werte, Zugehörigkeit durch eine verhängnisvolle Logik des Umverteilens, der Bezuschussung und eines Laissez-faire ersetzt.
Zum Modernisierungsstau: „Er ist hausgemacht, und wir haben ihn uns selbst zuzurechnen. Zeit, in der wir mehr denn je auf Gemeinschaft angewiesen sind. Eliten müssen sich durch Leistung, Entscheidungswillen und ihre Rolle als Vorbild rechtfertigen. (Roman Herzog)
Anhang: Besorgniserregende Entwicklungen
Von der Politik werden an erster Stelle externe Entwicklungen angeführt, die für eine „nie dagewesenen Polykrise“ verantwortlich seien. Das sind der Unterjochungskrieg Russlands in der Ukraine verbunden mit einer anstehenden europäischen Neuordnung, der aufgebrochene Systemwettbewerb mit China mit lange übersehenen Abhängigkeiten, die digitale Übermacht der USA mit ihren fünf Monopolisten(25), zuletzt noch verstärkt durch eine KI-Vorherrschaft, und die unverzichtbare nukleare Schutzmachtfunktion. Dazu kam die lange erwartbare, Währungshüter dennoch überraschende Inflation, nicht nur der Vermögenspreise. Dieses Problemquadrat ist der Stoff, der in Politik, Medien und Wissenschaft unentwegt abgehandelt wird.
Grundlegender sind allerdings die Krisen, die die Gesellschaft und die Wirtschaft in ihrer Substanz verändert haben.
Den Anfang macht eine wohl nur in Deutschland an medialer Aufmerksamkeit nicht überbietbare Krise.
Verunsichernder Klimawandel
Es handelt sich um das Angstphänomen erster Ordnung, nicht nur der jüngeren Generation. Nach aller Erfahrung hemmt Angst den Willen zur Tat, in der beim Klimathema häufig anzutreffenden apokalyptischen Art blockiert sie vollends. Wenn es an Vertrauen in Heilungskräfte fehlt und Innovation nicht als Chance zu mehr Schonung der Umwelt und zur Umkehr beim Ressourcenverbrauch gesehen wird, sind Defaitismus, Untätigkeit, aber auch Aktionismus die Folge. Die meisten Klimaaktivisten scheinen nicht willens und in der Lage zu sein mit dem Klimawandel verbundene Herausforderungen der Anpassung und Vermeidung konkret mit Hilfe von Wissenschaft und Ingenieurkönnen zu lösen. Als Alternative fordern sie profunde Verhaltensänderungen ein, die im Grunde einer Verbotspolitik entsprechen.(26) Der Klima-Aktivismus muss in Relation gesetzt werden: Mit zwei Prozent Anteil am CO2-Weltaufkommen kann Deutschland bestenfalls eine verschwindend kleine Verbesserung erzielen; und die erhoffte Vorbildwirkung ist grob überschätzt.
Die zweite Großkrise ist akut, eigentlich lösbar, doch seit mehr als zehn Jahren politisch verschleppt.
Unkontrollierte Migration
Unkontrollierter Zuzug ist ein klares Zeichen politischen Versagens und rechtsstaatlicher Untätigkeit. Die Verteilung von Asylbewerbern(27) kommt mitunter einem staatlichen Willkürakt gleich. Bürger werden nicht gehört, obwohl in ihre vertraute Welt beträchtlich eingegriffen wird. Die sogenannte Sozial-/ Arbeits-/Klima-Migration ist stark angewachsen, führt durchwegs zu einer Überforderung von Kommunen und sozialen Einrichtungen. Aufgrund nicht vorhandener Ausbildung(28) und einer häufig geringen Bereitschaft zum Erwerb der deutschen Sprache und Aneignung nützlicher Fähigkeiten fällt ein großer Teil der Migranten für den Arbeitsmarkt aus. (29) Auf der anderen Seite ist die internationale Rekrutierung von Fachkräften auffallend zäh. Die Bildung von Parallelgesellschaften ist in vollem Gange. Die ursprüngliche Vorstellung von Integration muss als gescheitert gewertet werden. Eine Besserung scheint außer Reichweite.
Wie der Klimawandel sind die nachfolgenden Entwicklungen langfristig, tiefgreifend, strukturell. Im Wesentlichen sind es Positionen einer Verlustbilanz.
Demografische Austrocknung
Es gibt kaum was besser Vorhersehbares als die demografische Entwicklung. Und dennoch wird sie nahezu systematisch ausgelassen oder schöngeredet. Die Folgen einer niedrigen Geburtenrate sind schwerwiegend: schwache Dynamik und fehlende Talente, geringe Zukunftsoffenheit und verbreitete Angst, Eigenbeschäftigung und Pflegenotstand, fehlende Zugehörigkeit zu Familie und Verwandtschaft. Die verharmlosend als demografischer Wandel bezeichnete Entwicklung schreitet unentwegt voran. Mit dem Abgang der Babyboomer (Jahrgänge seit Ende 1960er bis Mitte der 1970er-Jahre) entsteht sogar eine große Lücke auf dem Arbeitsmarkt. Die Urbanisierung(30) nimmt zu und mit ihr die Single-Haushalte und Ein-kind Familien. Die Geburtenrate von 1,53 pro Frau liegt unter dem ohnehin niedrigen europäischen Durchschnitt.(31)
Verlust sozialer Bindung und nachlassende Generationenverantwortung
Immer häufiger ist von einer wachsenden Spaltung der Gesellschaft die Rede. Das bezieht sich v.a. auf wieder größer werdende Unterschiede zwischen Stadt und Land, West und Ost, Nord und Süd und innerhalb vieler Großstädte. Bei letzteren wurden bereits vorhandene Problemzonen größer.(32) Allgemein ist eine stark abnehmende Mitgliedschaft in Gemeinschaften zu registrieren. Das gilt für fast alle Vereine, Kirchen, Gewerkschaften. Ein anhaltendes, in den langfristigen Auswirkungen schwer übersehbares Phänomen ist die Schließung gemeinschaftlicher Einrichtungen und entsprechender kleinteiliger Versorger vor allem auf dem Lande: kein „Postamt“, keine Nahversorgung (Lebensmittel-Einzelhandel), weniger/keine Gasthäuser, kein Arzt, u.a.m. – dazu noch schlechte Verkehrsverbindungen. Städte verlieren Vielfalt. Der Einzelhandel wird immer mehr von globalen und nationalen Filialketten verdrängt.
Ein starkes Indiz für eine schwache Verantwortung für die nächste Generation ist die stete Vermehrung der Schulden des Staates. Der tatsächliche Schuldenstand liegt beim Siebenfachen des ausgewiesenen und wird der nachkommenden Generation aufgebürdet. Konsum statt „Investition“, gegenwärtige Sozialleistungen statt Zukunftsaufwand ist in weiten Teilen die neue Gewichtung. Sparen zugunsten der nächsten Generation, für Wohnen, Ausbildung und Vorsorge hat an Bedeutung verloren.(33)
Kulturelle Verflachung
Anzeichen dafür gibt es viele. Hochkultur ist immer mit herausragenden Persönlichkeiten verbunden. In Dichtung/Sprache, Philosophie, Theologie, Musik, Geschichte, Journalismus, Medizin, Physik, Ingenieurwesen sind die meisten namhaften Vertreter in letzter Zeit verstorben oder in ein sehr hohes Alter vorgerückt.(34) Ein damit vergleichbarer Nachwuchs ist nicht in Sicht. Indes haben Professuren vor allem in Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Bildungsforschungs- und Bildungsverwaltungseinrichtungen stark zugenommen. Abgenommen haben dagegen hochkarätige Bildungsangebote. In den großzügig gebührenfinanzierten Medien, die eigentlich einen Auftrag zur Bildungsvermittlung haben, ist der Anteil von Trash, Krimis und Skandalen ungebremst gewachsen. Nicht von ungefähr muss von einem ‚Kulturbrei‘ gesprochen werden. Gegen das Ansinnen, Kultur als eine wesentlich Klammer eines Gemeinwesens zu sehen und zu pflegen – sprich Leitkultur – wurde Sturm gelaufen – und man hatte Erfolg damit.
Verbreiteter Erziehungsmangel
Aus falscher Rücksicht wird über das Versagen vieler Eltern bei der Kindererziehung hinweggesehen. Das Versagen zeigt sich in mangelnder Achtung auf Disziplin, in der Unlust zum Vorlesen, in häufigem FS-/ Internetkonsum zur Ruhigstellung der Kinder, in Bildungsträgheit und der rarer gewordenen Vorbildfunktion von Großeltern. Die frühkindliche Erziehung in Kitas und Kindergärten kommt zu kurz. Von nicht wenigen Eltern wird Schule als Erziehungsersatz gesehen.
Anhaltende Bildungsmisere
In der Überzahl der Bundesländer wird seit Jahrzehnten die Absenkung des Bildungsniveaus hingenommen und verschleiert, indem der Notendurchschnitt einfach angehoben wird. Schon lange wird dem Abitur der Vorzug gegeben, die duale Ausbildung dagegen wurde abgewertet, obwohl diese international als einzigartige Stärke angesehen wird.(35) In Pflegeberufen wird eine Akademisierung betrieben. Nach 2010 hat mit ‚Bologna‘ die Verschulung und Nivellierung von Hochschulen eingesetzt.(36) Trotzdem wuchs die Zahl der Studienabbrecher ständig. Einem (großen) Mangel an MINT-Studierenden steht ein Überschuss an Studierenden der Sozialwissenschaften(37) und der BWL gegenüber. Dieses Missverhältnis spiegelt fehlende schulische Fähigkeiten und eine geringe Bereitschaft wider, ein anspruchsvolles Studium zu bewältigen. Der Mangel an Facharbeitern, Ingenieuren/Informatikern, Handwerkern andererseits ist eine erhebliche Produktivitätsbremse. Und das sich abzeichnende akademische Prekariat verursacht bleibende Kosten und ist von Unzufriedenheit erfüllt.
Schwindende Innovationskraft
Der Begriff Innovation war in den letzten 10 und mehr Jahren auffallend wenig zu vernehmen, auf der Agenda der Politik rangiert Innovation weit hinten(38) – und das in einem Industrie- und Technologieland. Sieht man von Glanzstücken der Grundlagenforschung ab, entstanden wenige Schrittmachertechnologien. Patentanmeldungen sind stark zurückgegangen.(39) Innovative Start-ups erhielten Folgefinanzierungen vor allem über amerikanisches Venture Capital. Einige Hoffnungsträger wanderten in die USA aus. Dax-Konzerne fielen innovatorisch wenig auf. Überhaupt fielen viele international zurück.(40) Der weitverzweigte Mittelstand zeigt dagegen eine beachtliche Dynamik und hohe Verlässlichkeit. Die Aufgabe der Kommunikationstechnik war ein grandioses Versäumnis(41), das in eine technologische Abhängigkeit hineinführte. Nach einer erfolgreichen Vorwärtsstrategie in der Mikroelektronik(42) folgte eine Periode der Stagnation. Die extrem hohen Subventionen für Chipwerke ausländischer Hersteller(43) sind im Grunde das Eingeständnis einer nicht vorausschauenden Innovationsstrategie und einer ordnungspolitisch verfehlten Industriepolitik.(44) Die nahezu vollständige Abwanderung der einstmals gelobten Photovoltaik-Branche nach China ist ein Fiasko, aus dem allem Anschein nach nicht gelernt wurde. Das trifft zu einem guten Teil auch auf die Robotik zu. Jüngste Weggänge betrafen die Reaktor- / Kernfusionstechnologie und die Biotechnologie. Bei Software bzw. in der Internettechnologie sind bis dato keine großen Wachstumsunternehmen entstanden und keine in Sicht.
Vernachlässigung von Infrastruktur, Sicherheit, Wohnungsbau
Über den Zustand von Verkehrswegen, die Unpünktlichkeit der Bahn, die geringe Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, den mangelnden baulichen Zustand von Schulen und anderen Einrichtungen wird seit Kurzem inständig geklagt. Der Substanzverzehr und die vielen Mängel waren absehbar, wurden ausgeblendet(45). In der Tat herrscht ein hoher Reparatur- und Modernisierungsstau. Die einfache Antwort war das Aufstellen diesbezüglicher Reparaturfonds - fälschlich Sondervermögen genannt, richtig bezeichnet: nicht budgetierte Schulden. Dabei bleibt oft die Frage unbeantwortet: Wie gelangt das Geld zügig in konkrete Projekte? Beharrlich ignoriert wurde auch der Wohnungsmangel, der zu einem Teil der nicht kontrollierten Migration zuzurechnen ist. Die schnellen Verkäufe kommunaler Wohnbestände erweisen sich jetzt als finanzieller und sozialer Bumerang.
Unausgewogene Besteuerung
Die kalte Progression war für den Fiskus immer vorteilhaft, wegen der Inflation ist sie hochproblematisch. Darüber hinaus fragwürdig ist das Einsetzen des Spitzensteuersatzes von 42 Prozent bereits bei einem Einkommen von 63 TEUR(46). Des Weiteren liegt bei den Einkommensarten eine sozial schwer vertretbare Ungleichheit vor: Kapitaleinkommen werden nur mit 25 Prozent angesetzt. Die Besteuerung großer Einkommen und Vermögen harrt einer angemessenen Lösung, ebenso die steuerliche Gleichstellung von Fremd- und Eigenkapital. Angesichts solcher Proportionen darf von einer unzulänglichen Steuergerechtigkeit gesprochen werden. Trotz immer wiederkehrender Rufe nach einer einfachen, transparenten Besteuerung bis hin zu einer Flat Tax kam es zu keinen nennenswerten Verbesserungen. Die letzte Steuerreform, die diese Bezeichnung verdient, liegt 37 Jahre zurück.(47)
Ineffiziente Verwaltung
Die jüngste Pandemie („Corona-Moment“) hat die Schwächen der öffentlichen Administration beispiellos offengelegt. Kompetenzwirrwarr, nicht möglicher Datenaustausch (FAX-Standard), fehlende Aktualität, unfreundlicher bis übergriffiger Umgang mit Bürgern waren typisch. Der Rückstand der Verwaltungen bei der Digitalisierung trat offen zutage(48). Deutschland wird gemeinhin als „Digital-Entwicklungsland“ eingestuft(49). Auf der anderen Seite tendiert die öffentliche Hand in jüngerer Zeit dazu, den Bürger zum „gläsernen Staatssubjekt“ zu machen. Geringe Bürgernähe, ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand, die Verkomplizierung vor allem durch eine Überfülle von Einzelregelungen sind Beleg einer lange vor sich hergeschobenen Verwaltungsvereinfachung.
Wuchern des Para-Business/-Govenment-Sektors
Strategie-Berater, Gutachter, Prüfer, Rechtsanwälte haben in den letzten Jahrzehnten großen Zuwachs erfahren(50). Im Durchschnitt ist dieser Sektor drei Mal so stark gewachsen wie das Produzierende Gewerbe. Die mit großem Abstand wichtigsten Klienten waren und sind die Dax-Konzerne(51). Seit Beginn der Nullerjahre wurde dann auch der Öffentliche Sektor ein immer wichtigeres Segment. Die Engagements von Beratungsfirmen brachten bei intensiv beratenen Unternehmen und Finanzinstituten keine nachhaltige Verbesserung(52). Kostspielige Projekte in Sachen Migration, Verteidigung, Arbeit erwiesen sich fast ausnahmslos als nicht nachhaltig. Die Erfahrung zeigt, dass Beratungsleistungen vor allem dort in Anspruch genommen werden, wo es auf Seite der Auftraggeber an Kenntnis der Materie mangelt, großer Wert auf Absicherung gelegt und mitunter Gefälligkeiten im Spiel sind. Im Rückschluss war das große Wachstum des Parasektors zwangsläufige Folge von zum Teil selbst produzierter Komplexität, Scheinprofessionalität und nicht vorhandener Kompetenz auf Firmen- wie auf Behördenseite.
Zuletzt ein wenig auffälliger Vorgang, der von ansonsten moralisch Gestimmten als normal hingenommen wird.
Ausnutzung anderer Länder
Absichtlich übergangen wird die Abwerbung von Fachkräften in Bereichen, die für das persönliche Wohlbefinden, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Versorgung in den Herkunftsländern gebraucht werden. Das sind Kräfte für die Pflege/ das Gesundheitswesen aus Osteuropa, den Philippinen und Lateinamerika. Ohne sie wäre die Versorgung in Krankenhäusern, in Pflegeheimen und zuhause schon lange zusammengebrochen – und das unter dem Dach eines allumfänglich zuständigen, vorgeblich effektiven Sozialsystems. Ein weiterer Bereich ist die Logistik, in der viele ausländische Kräfte außerhalb eines angemessenen arbeitsrechtlichen Schutzes tätig sind. Das Resümee: Es gibt große blinde Flecken.
Zusammenfassend
Diese umfängliche, dennoch unvollständige Problemauflistung zeigt eindrücklich, dass gesellschaftliche Entwicklungen meistens spät und nur teilweise wahr- und ernst genommen werden. Das liegt an ihrem diffusen Charakter und an der Verwobenheit mit vielen Ein- und Ausflüssen. Mehr und mehr kommt die Befürchtung auf, dass sich das Erfolgsmodell Deutschland überholt hat. Die große, von den Hauptmedien genährte Selbstzufriedenheit verhinderte ein umfassendes und richtiges Bild der Wirklichkeit. Das Crescendo vielfacher Versprechen der Politik landet jetzt auf dem harten Boden der Wirklichkeit.
Die unter der Regierung Merkel gepflegte Taktik der Ruhigstellung und die als „Fortschrittsallianz“ titulierte Ampel bestimm(t)en das Regierungshandeln. Probleme tabuisieren, insbesondere bei moralisch aufgeladenen Themen wie „Flüchtlinge/Geflüchtete“, die zu einem guten Teil Sozial-/ Wirtschaftsmigranten sind, das Unsicherheitsgefühl im öffentlichen Raum, dazu noch alles, was mit Islam(53) und Heimat verbunden ist. Denk-/ Sprachdiktate bei Klima, Energie und Geschlechtsorientierung ersticken pragmatische Lösungsansätze im Keim; sie vergrößern die Unzufriedenheit der Bürger und stärken den politischen Rand. Die Pose der Selbstzufriedenheit und das Schönreden haben dauerhaftes Format angenommen.
Der Import von Unkultur hauptsächlich aus den USA hält an, obwohl das dortige Resultat deprimierend ist: Armut, Kriminalität, Wokeness(54), Cancel Culture, Einschränkung der Redefreiheit – ausgerechnet an Universitäten und Colleges. Aufs Ganze gesehen läuft der von Minderheiten oktroyierte Kulturkampf auf die Preisgabe liberaler Werte hinaus, für die die USA traditionell standen. Und hierzulande?
An den aufgezählten Problemen sind Politik, Medien und die Wirtschaft aktivistisch beteiligt. Auf eine Gruppe soll besonders hingewiesen werden, nämlich die Dax-Konzerne, die sich weitgehend „entnationalisierten“, sich dem US-Kapitalmarkt angedient haben, im Durchschnitt trotz intensiver Beraterunterstützung deutlich ‚underperformten‘(55); sie profitieren von Voraussetzungen, zu denen sie kaum einen Beitrag leisten (worunter u.a. die geringe Kinderzahl ihrer Belegschaft fällt), stellten sich aber an die Spitze von Managementmoden und Diversität. Im Unterschied zum Mittelstand, der im Stammland verwurzelt bleibt und im Großen und Ganzen eine generationenübergreifende, verlässliche Unternehmensführung praktiziert. Ohne ihn wäre das Land (viel) ärmer.
Quellen und Vertiefendes
- Paul Collier (2019): Sozialer Kapitalismus! Mein Manifest gegen den Zerfall unserer Gesellschaft, Siedler
- Paul Collier & John Kay (2020): Das Ende der Gier, Siedler
- Patrick J. Deneen (2019): Warum der Liberalismus gescheitert ist, Müry-Salzmann
- Nils Goldschmidt und Michael Wohlgemuth, Hrg. (2004): Die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft, Mohr-Siebeck
- Manfred J. Hoefle (2010): Managerismus, Wiley
- Timo Meynhardt, u.a. (2018): Sinn für das Gemeinwohl; (2016): Ohne Gemeinwohl keine Freiheit - zur Psychologie des Gemeinwohls
- Christian Müller, Elmar Nass, Johannes Zabel Hrg. (2020): Soziale Marktwirtschaft – Ordnung der Zukunft, Aschendorff
- Karl Polanyi 2015: The Great Transformation, Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen, Original: The Great Transformation, 1944
- Robert B. Reich (2016): Rettet den Kapitalismus, Campus - Martin Sandbu (2020): Economics of Belonging, Princeton University Press
- Wilhelm Röpke (1937): Die Lehre von der Wirtschaft, Haupt (1994); (1944): Civitas Humana – Grundfragen der Gesellschafts- und Wirtschaftsreform, (Haupt 1979)
- Martin Sandbu (2020): Economics of Belonging, Princeton University Press
- Michael J. Sandel (2020): Vom Ende des Gemeinwohls, S. Fischer
- Martin Wolf: The Crisis of Democratic Capitalism, Allen Lane (Penguin Random House), Dublin 2023
- Notker Wolf: Warum lassen wir uns verrückt machen?, Bonifatius Verlag 2023
- Zeitschiften: Economist (v.a. Mittelstand– Deutschland AG’s bright light bulb); September 16th 2023, F.A.Z., Steingarts Morning Briefing (mediapioneer)
- Studie: Die Ängste der Deutschen 2023; Info-Center R+V-Versicherung
- Denkschriften und Denkzettel unter https://www.managerismus.com/themen/managerismus; insbesondere Relecture 1: Konrad Lorenz und die acht Todsünden der Menschheit; Denkschrift 50: Unternehmensbilder und Ordnungspolitik – Was für Unternehmen braucht die Soziale Marktwirtschaft und Ein neuer Gesellschaftsvertrag – Ein Vorschlag
Anmerkungen
(1) Das Universalproblem Bürokratie war schon seit Jahrzehnten sichtbar, wurde fallweise beklagt und von Regierung zu Regierung weitergereicht. Erst im Zusammenhang mit dem Ausbleiben des Wirtschaftswachstums wurde dieser „Elefant im öffentlichen Raum“ allseits wahrgenommen. Eine große Verwaltungsreform scheint jedoch in weiter Ferne.
(2) Ein Beispiel: Die großzügige Erweiterung des bereits großen Bundeskanzleramtes ist mit diesem Ansatz nicht vereinbar. Auch unter Einbeziehung der Neuen Bundeslänger ist das Größenwachstum der Ministerien in Berlin - im Vergleich zur ‚Bonner Republik‘ – unverhältnismäßig.
(3) Südtirol kann über rund 80 Prozent der Steuereinnahmen verfügen, wird traditionell von der Südtiroler Volkspartei (SVP) regiert und pflegt ausgezeichnete Beziehungen zu Österreich und Bayern.
(4) Siehe Denkschrift Nr. 34: Warum viele Dax-Unternehmen schwach abschneiden (Fragwürdige Managementpraktiken, Abhängigkeit von Beratern, Paritätische Mitbestimmung).
(5) An Lehren von Ländern mit früher Erfahrung im Bereich der Migration/Integration (Frankreich, Großbritannien, Dänemark, Schweden) fehlt es nicht.
(6) Auch bezüglich der Verkleinerung von Parlamenten kann von anderen gelernt werden: Italien (2020).
(7) Ludwig Erhard hielt das Wohlstandsziel in den 1970er Jahren größtenteils für erfüllt.
(8) Siehe Ein neuer Gesellschaftsvertrag – Ein Vorschlag https://managerismus.com/images/pdf/SocietasHumana-Einzelseiten.pdf
(9) Nach dem aristotelischen Verfassungskreislauf folgt der Herrschaft des ‚Demos‘ (Volk), die ‚Ochlokratie‘ (Pöbelherrschaft).
(10) Zudem wurde das Recht auf Inanspruchnahme von Soziallleistungen mit Verweis auf Gleichberechtigung vom EuGH bestärkt.
(11) Als Beispiel kann der lange Zeit geübte Verkauf von Gemeinde-/Sozialwohnungen an Private Equity-Investoren dienen.
(12) Signifikantes Beispiel ist die Deutsche Bahn, die in ihren Bordrestaurants nurmehr überwiegend vegane Produkte anbietet.
(13) Namentlich sind das: Neue - Alte Bundesländer, Großstadt - Land, Einheimische – Zugezogene (v. a. aus schwer integrierbaren Kulturkreisen), Umweltbewusste - Konsumwillige, Leistungsbewusste - Sozialhilfeempfänger u.a.m.
(14) Eine selbstbeanspruchte Aufgeklärtheit bestimmter Personen und Gruppen.
(15) Die Auswertung zahlreicher Studien zur Rolle von Familien in den USA kommt zum Schluss, dass Kinder aus einem Zwei-Eltern-Haushalt nachweislich „do better in life“. (siehe v.a. „The Two Parent Privilege“ (Melissa Kearney).
(16) Darunter ist eine “konkrete Vision” bzw. das „Prinzip Hoffnung“ des Philosophen Ernst Bloch zu verstehen.
(17) Laut Deutschland-Barometer 2023 erhielten 24 Prozent der Befragten die medizinische Diagnose Depression.
(18) Die Jahresarbeitszeit in Handel und Industrie beträgt 1.829 Stunden, gegenüber 1.588 Stunden in Deutschland.
(19) Italien hat es vorgemacht, indem es 2020 die Zahl der Abgeordneten und Senatoren um rund ein Drittel reduzierte.
(20) Ein Beispiel ist das monströse, 2023 in Kraft getretene „Lieferkettensorgfaltsgesetz“ (LRSG).
(21) In der Werbung großer Banken, von Telekom, Post, und der Deutschen Bahn kommen ältere „weiße Männer“ nicht/kaum vor.
(22) Hier sind insbesondere die von Hermann Simon analysierten „Hidden Champions“ zu nennen. (Hermann Simon: Hidden Champions des 21. Jahrhunderts: Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer. Campus, Frankfurt a. M. 2007.)
(23) Ein schlechtes Beispiel ist die Deutsche Bahn, die mit Blick auf eine baldige Privatisierung keine präventive Wartung betrieben hat. Vor allem aus diesem Versäumnis resultiert die notorische Unpünktlichkeit.
(24) Seit 2014 in Kraft.
(25) Das sind Alphabet/Google, Amazon, Meta, Apple, Microsoft.
(26) Die Energiepolitik ist tendenziell interventionistisch, technologiegeschlossen, sozial unausgewogen, teuer, widersprüchlich. Mit dem „Heizungsgesetz“ wurde eine Probe aufs Exempel geboten. Gegenüber Kollateralschäden als Folge der Verlagerung von Umweltproblemen (z.B. Rohstoffe für Batterien) und der Ressourcennutzung (z.B. Flüssiggas, fehlende Stromtrassen, mangelnde Stromspeicherung) besteht eine beachtliche Ignoranz. Die Einbildung, ein grenzüberschreitendes, globales Problem national lösen zu wollen, geht nach aller Erfahrung in die Irre.
(27) In einer gängigen Version impliziert die Bewerbung um Asyl in der Regel bereits ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und damit die Inanspruchnahme großzügiger sozialer Leistungen.
(28) Beispielweise liegt bei afghanischen Migranten der Anteil von Analphabeten bei 70 Prozent. Nach fünf Jahren ist erst knapp die Hälfte in Beschäftigungsverhältnissen.
(29) Im Vergleich zu erfolgreichen Einwanderungsländern (Kanada, Australien, Neuseeland) fehlt es an bewährter Praxis des raschen Spracherwerbs und an einem aufnahmefreundlichen Umgang. Auf der anderen Seite wird von der steten Abwanderung deutscher Fachkräfte in beruflich attraktive Länder wie die Schweiz, USA, Großbritannien kaum Notiz genommen.
(30) Dazu ein paar Daten: 71% der Bevölkerung lebt/wohnt bereits in Großstadtregionen. Die Geburtenrate lag 2022 bei 1,46 pro Frau, ist in Berlin am niedrigsten. Veralterung: jede 2. Person ist älter als 45; jede 5. Person älter als 65; Babyboomer (ab Ende 1960er-Jahrgänge) sind rentenreif.
(31) Laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) war das Bestandserhaltungsniveau von 2,1 zuletzt 1970 erreicht.
(32) Häufig genannt werden innerstädtische wie Berlin Neukölln und Duisburg-Marxloh, aber auch die davon betroffenen Städte Köln, Wuppertal, Solingen u.a.
(33) Bedenklich und wenig bekannt ist, dass rund 40 Prozent der Haushalte über keine nennenswerten Ersparnisse verfügen.
(34) Als Beispiele seien genannt die Dichter Böll, Lenz, Grass, die Philosophen Spaemann und Habermas, die Theologen Küng und Ratzinger, die Physiker v. Weizsäcker, v. Klitzing, Grünberg.
(35) Die Stärke teilt Deutschland mit Österreich und der Schweiz.
(36) Frühere, international angesehene deutsche Hochschul-Curricula und Diplomabschlüsse wurden preisgegeben, um einen „europäischen Bildungsraum“ zu ermöglichen.
(37) Besonders auffallend ist das Wachstum der ‚Gender Studies‘: fast 200 Lehrstühle an Universitäten und Fachhochschulen (entspricht der jeweiligen Zahl in Pharmazie und Altphilologie) und einem (!) Lehrstuhl für Demografie. Die wissenschaftliche Ergiebigkeit und gesellschaftliche Nützlichkeit sind größtenteils intransparent.
(38) Der sehr geringe Techniker-/Handwerkeranteil bei Bundestags- und Landtagsabgeordneten im Unterschied zu solchen mit sozialwissenschaftlichen- und juristischen Abschlüssen ist eine Facette. Eine andere ist, dass eine Physikerin an der Regierungsspitze wenig innovatorische Impulse setzte.
(39) Um rund ein Viertel weniger als vor zehn Jahren.
(40) Die früher weltweit führenden I.G. Farben-Nachfolger Höchst, Bayer und zuletzt auch BASF sind Beispiele eines dramatischen Niedergangs.
(41) Siehe dazu Denkschrift Nr. 4: Die schwindende Rolle der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) in Deutschland und der Ausstieg von Siemens: Gründe und Lehren
(42) Siehe dazu Denkschrift Nr. 51: The Great Reversal - Wie die USA das Produzieren wiederentdeckt haben - Lehren für Europa und Deutschland
(43) Der Zuschuss von 10 Milliarden Euro für Intel übersteigt den Rahmen bisheriger Förderungen um eine Größenordnung, ist ordnungspolitisch nicht vertretbar.
(44) Die enormen Zuschüsse für die Chipindustrie und die angedachte Energiesubventionierung sind im Urteil von Marktwirtschaftlern die augenscheinlichsten falschen Weichenstellungen.
(45) Die Wartung wurde nach der 1994 erfolgten Privatisierung des Staatsbetriebs Deutsche Bahn stark heruntergefahren. Vor einiger Zeit machte die DB großes Aufheben von der „gendergerechten“ Vorstandsbesetzung. Pünktlichkeit zählt bis heuer nicht zu seinen Performancezielen.
(46) Die „Reichensteuer“ von 45 Prozent greift erst ab einem Einkommen von 278 TEUR.
(47) Unter dem CDU-Finanzminister Gerhard Stoltenberg (1982-1989)
(48) Seit 2006 bis 2022 sollte die „Digitalisierung vorangebracht“ werden. Eingesetzt waren: Digitalrat (2018-2021), Datenethikkommission, Rat für Digitalethik, IT-Planungsrat, Initiative D21, Rat für Innovationsinfrastrukturen, Enquete Kommission für KI; (ab 2022: Beirat Digitalstrategie). Bei KI ist eine ähnlich schwerfällige Herangehensweise feststellbar.
(49) Bei digitaler Wettbewerbsfähigkeit (2022) steht Deutschland laut dem Digital Economy and Society Index an 19. Stelle, das Nachbarland Dänemark an 1. Stelle.
(50) Siehe Denkschrift Nr. 22: Para-Government – Zum problematischen Verhältnis des Staates zu Beratern. Denkschrift Nr. 23: Parabusiness – Die Vorherrschaft der USA
(51) Eine herausragende Firma ist McKinsey mit ihrer Dauerpräsenz in Konzernen wie der Deutschen Post, wo ehemalige Berater mehrere Vorstandspositionen haben oder die umfangreiche Beauftragung durch das Verteidigungsministerium mit einer dorthin gewechselten Direktorin des Beratungsunternehmens, die unter der damaligen Ministerin von der Leyen Staatssekretärin wurde.
(52) Die kostspieligen Engagements von McKinsey und anderen Beratern im Verteidigungsministerium können als Beispiel dienen.
(53) Im öffentlichen Diskurs wurden aus bekannten Gründen Integrationswillig- und -fähigkeit, Antisemitismus, Gleichheit der Geschlechter, Homophobie u.a. als Probleme systematisch ausgeklammert.
(54) Wird als identitärer Kollektivismus bezeichnet; figuriert auch als Kulturmarxismus.
(55) Siehe insbesondere die Denkschrift Nr. 34: Warum viele Dax-Unternehmen schwach abschneiden.