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Gute Unternehmensführung
Denkzettel Nr. 80
02.03.2023

Reiner Habrich: Siemens-Techniker – Spätunternehmer – Impulsgeber

von Manfred Hoefle

 

 

Fragt man Reiner Habrich nach seiner Haltung im Leben und im Geschäft, kommt ohne Nachsinnen die Antwort: Ehrlichkeit. Für ihn heißt dies, sich selbst nicht zu überschätzen, anderen nichts zu versprechen, was man nicht halten kann und will - überhaupt im Gegenüber einen Partner zu sehen, den man gewinnen und bewahren will.

Die Kindheit in Amberg in der Oberpfalz fiel in die Kriegszeit; sie war karg, doch umso mehr von Liebe und Glauben erfüllt. Mit neun Jahren verlor er den Vater, der Verwaltungssekretär war. Die aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammende, auswärtig erzieherisch tätig gewesene Mutter war der Anker für den umtriebigen Buben. Er wuchs mit seinem älteren Bruder auf, dem der Einfallsreichtum des jüngeren schon mal zu viel wurde - und dies mit „Mama, jetzt spinnt er wieder“ apostrophierte.

Gründliche Ausbildung, ständig auf der Suche nach neuen Lösungen

Infolge einer in dieser Zeit nicht seltenen Unterernährung verlor Reiner Habrich in der Volksschule fast ein Jahr, holte den Rückstand aber wieder auf. Drei Lehren schlossen sich an, eine zum Drogisten, eine kaufmännische und die zum Chemielaboranten. Mit einem Fachabitur ging er zum Studium an die Staatliche Ingenieurschule nach Westberlin. Gleich danach trat er 1963 bei Siemens in die im Aufbau befindliche Entwicklungsabteilung für Kunststoffe des Zentrallabors in München ein. Nach eigenem Bekunden war er kein „bequemer“ Mitarbeiter, notorisch neugierig, fragend, experimentierend.

Siemens wurde zum Pionier der Entwicklung und Anwendung von Epoxidharzen vor allem zur Isolierung in enger Zusammenarbeit mit den damals führenden Chemiefirmen Ciba und Bakelite. Seinen Aufgabenschwerpunkt fand Reiner Habrich in der Verarbeitungstechnik. Die Herausforderung, kleine Bauteile in großer Stückzahl zu vergießen, wurde immer größer und drängender. Dafür wegweisende, mit Patenten abgesicherte Entwicklungen waren der Vakuum-Verguss, statische Mischer und als Kernaggregat der volumetrische Mehrfachkolbendosierer. In enger Zusammenarbeit mit dem hauseigenen Maschinenbauer entstanden hochwertige Anlagen, die auch extern verkauft wurden. Die Arbeitsweise war pragmatisch, kooperativ und in hohem Maße selbstverantwortlich. Entscheidend für ihn war, dass der „Life Test“ bestanden wird, nicht so sehr umfängliche Analysen. Und um zu neuartigen Lösungen zu kommen, kam es darauf an, von Anfang an „Leute ins Boot zu holen“ – und immer in Zusammenhängen zu denken und zu handeln. Umwelt- und Arbeitsschutz waren wichtig. Eine Orientierungsreise nach Südostasien und Japan bestätigte ihm den hohen Stand der Siemenstechnologie.

Unternehmerisch unterwegs – Siemens-Spin-off

In Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Großunternehmen entstehen mitunter Verfahren und Produkte, die nicht mehr zur Geschäftsstrategie passen. Dem Rechnung tragend, eröffnete Siemens mit einer damals einmaligen Initiative, unternehmerisch eingestellten Mitarbeitern in Forschung und Entwicklung die Möglichkeit, Entwicklungen zur Marktreife zu bringen und über einen Spin-off zu vertreiben. Solche unternehmerischen Lösungen waren selten, denn das damals sichere Angestelltenverhältnis, verbunden mit einer guten Altersversorgung im Hause Siemens, erwies sich als hohe Ausstiegshürde.

Im Alter von 50 Jahren bot sich die Gelegenheit, in einem Internal Venture das richtige Geschäft zu finden und eigenständig zu erproben, in Fall von Reiner Habrich in einem Mietobjekt auf der „grünen Wiese“ bei München. Dort wurden Materialien für Wärmezähler und weitere Anwendungen entwickelt, Kabelgarnituren vergossen, eine automatische Vergieß-Anlage konstruiert und gebaut.

EPOXONIC – ein Qualitätsunternehmen

Im Herbst 1990 wurde die EPOXONIC GmbH mit sechs Mitarbeitern gegründet. Der Schwerpunkt lag auf der Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von innovativen Epoxidharzlösungen. Leitlinie war, die „Dinge einfacher, direkter, anders“ zu machen als es in einem Großunternehmen möglich war und alle guten Erfahrungen mitzunehmen. Wichtig war der Anspruch der Innovationsführerschaft, der einen hohen Entwicklungsaufwand verlangte und mit exklusiven, langjährigen Beziehungen mit führenden Unternehmen der Elektrotechnik/Elektronik einherging. Spezialitäten waren und sind hochwärmeleitfähige Verguss- und Abdeckmassen und hochflexible, hochreine Materialien vorwiegend als Chip-Klebstoffe. Nach dem Umzug (1994) nach Landsham-Pliening kamen Materialien zur Roboterverarbeitung im Baubereich hinzu.

Ankerpunkte der Geschäftstätigkeit sind hohe Produktqualität und absolute Verlässlichkeit in Abwicklung und Kundenservice. Das Unternehmen stellte als eines der ersten chargenbezogene Zertifikate aus, um die Nachvollziehbarkeit sicherzustellen. Bereits 1996 erhielt EPOXONIC das Zertifikat DIN EN ISO 9001, später zahlreiche Auszeichnungen von Kundenseite. Großer Wert wird auf die „Ökologie der Produkte“ gelegt, das heißt alle Produkte sind lösungsmittelfrei und enthalten keine karzinogenen Stoffe. „Dem Kunden helfen, erfolgreich zu sein“ ist das von Reiner Habrich ausgegebene und eingeforderte Versprechen. Dazu gehört die Suche nach Lösungen, die dank guter Verarbeitbarkeit, langer Lager-/Haltbarkeit, geringer Fehleranfälligkeit allesamt helfen, die Marge des Kunden nachweislich zu verbessern.

Diese Ausrichtung ist nur mit einem kooperativen Betriebsklima und einer erfahrenen, Mannschaft möglich, die selbstverantwortlich zu arbeiten gewohnt ist. Lange Betriebszugehörigkeit und eine internationale Zusammensetzung sind für EPOXONIC normal.

EPOXONIC – ein auf Dauer angelegtes Unternehmen

„EPOXONIC muss es in 25 Jahren noch geben“ war von Anfang an ein Leitspruch, der von Reiner Habrich immer von Neuem bekräftigt wird. Ein wichtiger Schritt dazu war im Jahre 2011 die Überleitung der Geschäftsführung auf den langjährigen Mitarbeiter Ludwig Guggenberger. Ein zweiter war im gleichen Jahr die Einrichtung der Reiner Habrich-Stiftung, deren Zweck in erster Linie die Fortentwicklung der Reaktionsharztechnologie ist. Auf diese gemeinnützige Einrichtung werden die Mehrheitsanteile an der EPOXONIC GmbH übertragen. Die Option eines mehrere Male angebotenen Verkaufs der Firma wurde im Einverständnis mit den Minderheitsgesellschaftern ausgeschlossen. EPOXONIC wird finanziell konservativ geführt und man achtet beständig auf Unabhängigkeit. Vom Gründer wird das Unternehmen als ein „ungeschliffener Edelstein“ bezeichnet, auf den viele innovative Schliffe warten.

Impulsgeber - vielseitig interessiert und engagiert

Reiner Habrich wurde auch noch zu einem „Unternehmer-Macher“. Mit der Entscheidung, sich auf die Materialentwicklung zu beschränken, wurde die Verwertung der Patente und des Know-how Erich Scheugenpflug überlassen, einem Siemens-Mitarbeiter, der eng in die damalige Maschinenentwicklung eingebunden war. 1990 kam es zur Gründung der Scheugenpflug GmbH in Neustadt a. d. Donau. Mit den Jahren wuchs ein international tätiger Verfahrensspezialist heran, der 2020 an Atlas Copco veräußert wurde.

Vor 25 Jahren wurde er Gründungsgesellschafter der Firma 3D-Coatings GmbH in Reichenberg/Würzburg. In der Folge begleitete er das auf Klebstoffbeschichtungen auf Papier, Folie, Gewebe und Fliesen spezialisierte Familienunternehmen. In jüngster Vergangenheit widmete er sich dem Thema Wasserstoff zur Energiegewinnung und -versorgung und investierte in die vielversprechende, doch schwierige Technologie.

Eine ehrenamtliche Betätigung ist die Renovierung von Kirchen. Nach seiner Motorsportaktivität wurde er wie ehedem sein Vater malerisch tätig. Seine frühe Drogerietätigkeit brachte ihn dazu, sich in das breite Feld der Erfahrungsmedizin einzuarbeiten und sein Wissen weiterzugeben.

Reiner Habrich sieht sein Leben und Wirken als Ausfluss großer Freiheitsliebe und deren Einbettung in einen festen Glauben.