Governance & Compliance
Denkschrift Nr. 10
03.06.2013

Vorstandsvergütung - so kann es nicht weitergehen

von Manfred Hoefle

 

„Nichts macht auf den Geist des Menschen einen sanfteren und tieferen Eindruck als das Beispiel."
John Locke (1632-1662) – Philosoph und Ökonom

 

Zusammenfassung

Klagen über die Vorstandsvergütung wogen auf und ab – doch die Vergütungen, vor allem in börsennotierten Unternehmen, nehmen unbeirrt zu; dank des Zusammenspiels gut organisierter mächtiger Gruppen, deren Mitglieder eigentlich Verwalter sein sollten, sich aber wie Eigentümer geben. Werden Exzesse zu offensichtlich, schießt eine Woge der Empörung hoch: so bei den verheimlichten Abfindungszahlungen an den Ehrenpräsidenten des schweizerischen Pharmakonzerns Novartis. Wird zur gleichen Zeit eine Volksbefragung („Abzocker"-Initiative) abgehalten, fällt das Urteil mit Zweidrittel-Mehrheit so deutlich aus, dass politische und gesetzliche Folgen unausweichlich sind.

Worum geht es eigentlich?

Um nicht weniger als um die Wiederherstellung eines angemessenen Verhältnisses von Entlohnung an der Basis zu der an der Unternehmensspitze. Die bei der Vorstandsvergütung bislang einseitige Orientierung an den USA ist ernsthaft in Frage zu stellen. Das mehr als Hundertfache von Spitzenpositionen im Verhältnis zu Facharbeitern in mehreren DAX30-Unternehmen ist nicht vertretbar, weil eine solche Relation die Betriebsgemeinschaft schädigt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt schwächt.

Der frühe Warner Peter Drucker

Über Managervergütung hat keiner so tief nachgedacht wie Peter Drucker, der große Managementphilosoph. Nach seinem Diktum haben Unternehmen zu ihrer Legitimation nutzbringend für die Gesellschaft zu sein. Die Gemeinschaft eines Unternehmens ist für ihn ein so wichtiges Gut, dass die Vergütung der Unternehmensleitung den als gerecht empfundenen Rahmen nicht sprengen darf. Deshalb plädiert er für ein Verhältnis vom 20– bis 25-Fachen. Früh warnte er vor den Wirkungen selbstbereichernder Vergütung von Vorständen – mit wenig Erfolg.

Scheinrationale Begründungen

Vorstandsvergütungen sind ein mystifizierter Teil der Unternehmensführung bzw. -aufsicht. Im Wesentlichen handelt es sich in Deutschland um eine Gruppe von maximal 500 Personen. Die Regelung der Vergütung findet in einem Zusammenspiel von Vorständen, Aufsichtsräten (in wechselseitigen Rollen) und einschlägigen Personalberatern statt, mit den Arbeitnehmern als nachsichtige Beisitzer. Die theoretische Begründung für die seit den 1990er-Jahren überproportional angestiegenen Vergütungen liefern die Konzepte Shareholder-Value und Pay for Performance. Beide Ansätze wurden ob der Fehlentwicklungen von den Urhebern korrigiert. Aber die Nutznießer hielten daran fest.

Grundlegende Reform notwendig

Der Weg zurück zu einer angemessenen Vergütung der Vorstände muss entlang gut vermittelbarer Regeln erfolgen, deren wichtigste eine gemeinschaftsfördernde Proportionalität ist. Eine funktionierende Soziale Marktwirtschaft verlangt nach einer Lösung dieser Frage: Wenn es sein muss durch eine strenge gesetzliche Regelung.

Ein zu lange vernachlässigtes Thema

Die Fälle exzessiver Vergütungen von deutschen Vorstandschefs häufen sich. Erinnert sei an die öffentliche Beachtung, Kritik oder gar Empörung; wohlgemerkt in der Zeit, als der Deutsche Corporate-Governance-Kodex (DCGK) die freiwillige Verpflichtung der Dax30-Unternehmen Wirkung zu zeigen versprach.

Einige Beispiele dazu:

Klaus Esser, Kurzzeit-Vorstandsvorsitzender der damaligen Mannesmann AG, der aufgrund einer Change of Control-Regelung beim höchst umstrittenen Verkauf an Vodafone rund 30 Millionen € kassierte.

Dann Jürgen Schrempp, der Langzeit-Gutsherr von Daimler, war über ein paar Jahre der bestbezahlte CEO des Landes. Zuerst als größter Unternehmensakquisiteur gefeiert, wurde er später als größter „Geldvernichter" der deutschen Nachkriegsgeschichte beschimpft. Nach seinem Abgang der reichste „CEO Retired" durch Ausübung von Aktienoptionen mit einem Wert von geschätzten 100 Millionen €. Um bei Daimler zu bleiben: Dieter Zetsche, der aktuelle Daimler-Chef, war 2012 trotz unterdurchschnittlicher Performance der Daimler-Aktie die Nr. 3 unter den Dax30-Vorstandsvorsitzenden und mit Pensionszusagen von über 40 Millionen der Spitzenreiter beim Ruhestandsgehalt.

Wendelin Wiedeking, der „Porsche-Unternehmer", wurde aufgrund einer frühen Gewinnbeteiligungsklausel unter anderem 2007/08 mit 77,4 Millionen Euro entlohnt. Ursprünglich soll er nach dem großmannssüchtigen Übernahmeversuch von VW um eine Abfindung von 250 Millionen „gepokert" haben, um dann mit 50 Millionen € zerknirscht Abschied zu nehmen und so versorgt umgehend ins Lager von Investoren, Beratern und Aufsichtsräten zu wechseln.

Ein sich zyklische Aufmerksamkeit verschaffender Mehrfach-Ex-CEO ist der superclevere Utz Claassen: Beim Energieversorger EnBW (2003–2007) sollte der jugendliche „Frühpensionär" bei seinem vorzeitigen Ausscheiden Übergangsgeld von 400 Tausend € pro Jahr erhalten, die dann auf dem Gerichtswege in eine Einmalzahlung von 2,5 Millionen umgewandelt wurden; zuvor hatte er (2004) ein Vorstandsgehalt von 4,17 Millionen € bezogen. Nach einem Intermezzo bei einem amerikanischen Beteiligungsfonds mit dem bezeichnenden Namen Cerberus heuerte er bei dem Erlanger Energie-Mittelständler Solar Millennium an und erstritt neun Millionen Antrittsgeld - nach 74 (!) Tagen Tätigkeit. Zu guter Letzt reichte er eine Klage in den USA über 265 Millionen gegen das in die Insolvenz gegangene Unternehmen ein.

Ein nicht unähnlicher Fall ist Karl Gerhard Eick, der letzte CEO des Kaufhauskonzerns Arcandor. Nach einem halben (!) Jahr verabschiedete er sich mit 15 Millionen € Abfindung vom bankrotten Unternehmen, dem zuvor der unrühmliche und smarte Thomas Middelhoff vorstand.

Über den „Deutschbanker" Josef Ackermann der zu seinen besten Zeiten das Ranking der bestverdienenden CEOs mit einer Vergütung um 10 Millionen Euro anführte, kam es regelmäßig je nach Zugehörigkeit der Urteilenden zu anerkennenden bzw. kritischen Kommentierungen zu der absoluten Höhe seiner als exorbitant empfundenen Bezüge.

Zu den erfolgreichen Konzernchefs zählt zweifelsohne Martin Winterkorn, der Lenker des mit Abstand größten deutschen Konzerns. Er erhielt im letzten Jahr 17 Millionen € Jahresgehalt angeblich aufgrund einer übersehenen Erfolgsbeteiligungsformel und löste damit landesweit mehr als große Verwunderung aus.

Das sind die augenfälligsten Beispiele außerordentlicher Entlohnung manche ziehen den Begriff Bereicherung vor, die in jüngerer Vergangenheit für kurze oder auch längere Aufregung im Lande gesorgt haben. Angesichts der jüngsten Fälle drängt sich die Frage auf, welche Bedeutung das im August 2009 in Kraft getretene „Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung" (VorstAG) überhaupt hatte. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte den falschen Anreizen entgegengewirkt werden, die von kurzfristig angelegten und überhöhten Vergütungsansätzen ausgehen. Das vorläufige Urteil muss wohl lauten: Es ist ein „weiches" Gesetz, das selbstverständliche Regeln von Corporate Governance (DCGK) moderat abbildet, dem Aufsichtsrat großen Spielraum für die Ausgestaltung lässt und wenig Anlass zu Sanktionen gibt.(1) Der DCGK hat durch die Offenlegungspraxis wiederum ungewollt dazu beigetragen, das Niveau der Vorstandsvergütung generell anzuheben.(2)

Neue, unerwartete Brisanz erhielt das Vergütungsthema durch die beeindruckende „Abzocker-Initiative" in der Schweiz (3). Jüngst kam ein etwas besänftigendes Schlaglicht von Brüssel mit der Beschränkung der Boni-für-Banker-Regelung in der EU.(4) Im Vorfeld der Bundestagswahl im Herbst 2013 ist erneut eine gesetzliche Regelung von einzelnen Vergütungsthemen in Diskussion, insbesondere die Zuständigkeit von Aufsichtsrat und Aktionärsversammlung bei der Festlegung von Vorstandsgehältern. Die immer kürzeren Regulierungsabstände im Gesetz und im Kodex sind ein Indikativ für eine ständige Ausreizung der gesetzlich erlaubten Räume bzw. der Überschreitung des gesellschaftlich akzeptablen Niveaus durch interessierte Kreise.(5)

Dass der Problemkomplex Vorstandsvergütung eine eminent gesellschaftspolitische Dimension erreicht hat, bestätigt die jüngste Forsa-Umfrage eines Querschnitts der deutschen Bevölkerung. Danach glauben drei Viertel der Befragten, dass Manager in erster Linie ihre Interessen verfolgen und nicht die von Aktionären, Kunden, Mitarbeitern. Diese mehr als qualifizierte Mehrheitsmeinung ist ein politisches Faktum, das nicht mehr hintergehbar ist.

Die Zahl derer, die von der Vorstandsvergütung betroffen sind, ist klein: maximal 50 Vorstandsvorsitzende und rund 500 Vorstände, hauptsächlich in Publikumsgesellschaften des DAX/M-DAX. Aber dieser Personenkreis ist, was in aller Regel unausgesprochen bleibt, ein demokratisch nicht legitimierter, unvergleichlicher Machtfaktor in Wirtschaft und Gesellschaft.

Zurückhaltung in der Frage der Vergütung halten - bisher mit Ausnahmen Institutionen und Gruppierungen, denen das Wohl von Gemeinschaft und Gesellschaft ein zentrales Anliegen sein sollte: die Gewerkschaften und die Kirchen, und auch das akademische Lager. Liegt diese sonderbare Reserviertheit an der eigenen Verquickung, am Mangel an Courage in Sachen Gerechtigkeit, an Unentschlossenheit, an Eigeninteressen? Die Medien nehmen sich nur von Fall zu Fall des Themas an, indem sie auflagebedacht das ominöse Einkommen-Ranking betreiben oder einzelne Fälle herausheben.(6) Dass sie mit dieser Art von Öffentlichkeit dem Aufwärtstrend bei Vorstandsbezügen schon lange Vorschub geleistet haben und leisten, wird billigend in Kauf genommen.

Das Thema ist endlich auf der Agenda der Politik. Nach der Schweiz ist nun Deutschland anscheinend auf eine Neujustierung eingeschwenkt.(7)

Das Abheben der Vorstandsvergütungen

Die Entlohnung von Vorständen erweckt von Land zu Land recht unterschiedliche Aufmerksamkeit. In Europa sind es seit geraumer Zeit Deutschland und die Schweiz, Länder mit einer großen Zahl von international tätigen Publikumsgesellschaften und einer starken Orientierung hin zum angelsächsischen Raum. Die USA und Großbritannien sind mit ihrem individualistischen Leistungsverständnis traditionell „führend" in der Entlohnung von Top-Managern.

Extreme in den USA

Das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten" hat seit geraumer Zeit so manche Einschränkung hinnehmen müssen; nicht aber in Bezug auf den Executive Pay.

Die Bandbreite der Einkommen der hundert höchst bezahlten CEOs (2011/2012) reicht von 100 Millionen USD (Eric Schmidt von Google) bis zu 18 Millionen USD (PPG Industries Inc.).

Auffällig ist ein Drei-Klassen-System mit der Medienbranche an der Spitze, in der CEOs das 2– bis 5-Fache der nächstbestverdienenden Bankenbranche vereinnahmen und der mit großem Abstand die Vertreter der „Realwirtschaft", das heißt der Produzierenden Industrie folgen, wobei die Öl-und Gasindustrie an vorderster Stelle steht. CEOs von High-Tech-/Software-/Internet-Unternehmen nehmen eine große Bandbreite ein. Große Player wie Amazon oder Microsoft liegen gar im untersten Bereich der am wenigsten verdienenden CEOs, wobei aber deren Aktienpositionen zu berücksichtigen sind. Sogar für amerikanische Verhältnisse exorbitante Bezüge erhalten die CEOs der Einzelhandelskonzerne Walmart und Target mit dem rund 1000- bzw. 600-Fachen des Median-Einkommens ihrer Belegschaftsmitglieder. Geradezu bescheiden nimmt sich dagegen das Gehalt der Investor-Legende Warren Buffet von Berkshire Hathaway aus, das nur das 9-Fache beträgt. Erwähnenswert sind die „Abschiedsvergütungen" von CEOs, namentlich des früheren Chefs von ExxonMobil: Das "retirement package" für Lee Raymond erreichte 400 Millionen USD.

Generalisierend lässt sich feststellen, dass je anonymer und verteilter der Aktienbesitz(8) und je zahlreicher höchstverdienende CEOs im jeweiligen Board vertreten sind, desto üppiger die Vergütung ausfällt. Die Rangordnung spiegelt eben in einem hohen Maße die Stellung, das Image von Branchen und das Ausmaß manageristischer Governance in den USA wider.

Das durchschnittliche CEO-Einkommen liegt bei 12, 3 Millionen USD (davon Basisgehalt von rund 10 % und Aktien-/Optionspaket von gewöhnlich 35%). Das Verhältnis von Einkommen des CEO zum Einkommen an der Basis (CEO-to Worker Pay Ratio) lag nach Angaben der American Federation of Labor and Congress of Industrial Organizations (AFL-CIO) 1965 bei erst 24 zu 1, 1982 noch bei 42, 1989 bereits bei 71, 1992 schon bei 201, 2002 bei 281und 2012 gar bei 354.(9) Seit 1965 hat der Abstand um den Faktor 20 zugenommen, was einem Wachstum von rund 1000 % entspricht.

Kurz gesagt: Die Einkommen (in realen Werten) des Großteils der Beschäftigten stagnieren seit langem, sind sogar bezogen auf bestimmte Vergleichszeiträume zurückgegangen, die an der „Spitze" nahmen dagegen sprunghaft zu. (10)

Deutschland AG auf USA Inc. fixiert

Die schleichende Angleichung an amerikanische Verhältnisse hat eine kurze, wenig bekannte Geschichte. Ein Auslöser waren die ersten spektakulären M&A Engagements in den USA, der Daimler-Chrysler-„Merger of Equals" (1998) und die Übernahme der Investmentbank Bankers Trust durch die Deutsche Bank (1999). Der neue Maßstab für den deutschen Vorstand waren fortan die „Peers", die Kollegen jenseits des Atlantiks. (11) Eine andere Triebkraft war das von amerikanischen Strategieberatern (Stern & Stewart, McKinsey, BCG, Bain) vermittelte Konzept des Shareholder Value (SHV) und das von den hiesigen Wirtschaftsmedien breit kolportierte Vorbild des GE-CEO Jack Welch. Im Zuge der Ablösung des „Rheinischen Kapitalismus" durch den „Kapitalkapitalismus" (Horst Köhler) wurde die Frage der Vergütung der „Wertsteigerer", also der Unternehmensleiter unumgänglich. Die Antwort war eine kollektive, erhebliche Anhebung der Vorstandsvergütungen.

Im Vergleich zu vornehmlich angelsächsischen Standards verdienten bis dahin deutsche Topmanager deutlich weniger. Der durchschnittliche Vorstandsvorsitzende eines Dax30-Unternehmens erhielt 1997 „nur" 1,7 Millionen DM. Die in angelsächsischen Ländern übliche Vergütung wurde in Deutschland immer mehr zum Normalfall, da deutsche Unternehmen zusehends global mit anderen Unternehmen verschmelzen(12). Übrigens: Internationale japanische Unternehmen waren dagegen immun.

Nach Angaben der DSW (Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V.) betrug 2001 das durchschnittliche Vorstandssalär 1,4 Millionen € (bei der Deutschen Bank 5,3 Millionen €; bei VW 2,1 Millionen €). Zehn Jahre später lag es bei 3,14 Millionen € (Deutsche Bank: 5,9 Millionen €; VW: 8,4 Millionen €). Das Niveau für den CEO, den Vorstandsvorsitzenden erreichte 2011 ein durchschnittliches Niveau von 5,1 Millionen €, was einer Steigerung um 126 % in zehn Jahren gleichkommt.

Beispiel Siemens

Exemplarisch für sprunghafte Steigerungen der Vorstandsgehälter ist Siemens. Bis Anfang der 1990er-Jahre zeichnete sich das Unternehmen bezogen auf Größe und Rentabilität durch eine ausgesprochen moderate Praxis aus. Das Gleichgewicht wurde durch den ersten Quereinstieg des von McKinsey kommenden Edgar Krubasik gestört. Die Angleichung an sein Eintrittsniveau lief auf eine Anhebung aller Vorstandbezüge um rund 50 % auf damals 3,5 Millionen DM (13) hinaus, die stillschweigend über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren vorgenommen wurde, um nicht irgendwelche Irritationen nach innen und außen hervorzurufen. Der nächste geplante Sprung von 30 Prozent hing mit dem Wechsel des Vorstandsvorsitzes zu Klaus Kleinfeld zusammen. Weil zeitgleich die Insolvenz von BenQ, die das Handy-Geschäft 2005 übernommen hatte, öffentlich wurde, wurde nach Protesten die Anhebung aufgeschoben. Der größte Sprung, eine Verdopplung, ereignete sich mit der wegen der Korruptionsaffäre dringlichen Bestellung eines Externen, nämlich von Peter Löscher, des ersten von außen, aus den USA kommenden CEO. Für das GJ 2007/08 erhielt er rund 10 Millionen € (gedeckelt); damit erreichten seine Bezüge das 144-Fache eines Siemens-Tarifangestellten. Seitdem liegt das Siemens-Niveau für Vorstandsbezüge mit an der Spitze deutscher Unternehmen.

Um die Höhe der Vorstandsvergütungen in ein ungewohntes Verhältnis zu setzen (14): Der höchstverdienende Vorstandsvorsitzende Deutschlands vereinnahmte in jüngster Vergangenheit in der Regel das 20-Fache des Gehaltes der Bundeskanzlerin, zuletzt fast das 30-Fache!

Vergütungssysteme für Vorstände sind in Deutschland vollends aus dem Ruder gelaufen; sie sind sozial schädlich, weil sie das Vertrauen in den Unternehmen und letztlich in die Soziale Marktwirtschaft zerstören.

Zweckrationale Begründung der Vorstandsvergütung

Es heißt: Bei Geld hört die Freundschaft auf. Sobald viel Geld im Spiel ist, bildet sich eine egoistische ob als Einzelner oder als Gruppe Grundhaltung. Und wer am längeren Hebel sitzt, nutzt diesen. In Unternehmen hat das Leitungspersonal, insbesondere in Publikumsgesellschaften, einen guten Instinkt für seinen Freiraum, der sich aufgrund eines atomisierten Eigentümerkreises, einer vorgeblichen Aktionärsdemokratie, auftut. Wie vorher ausgeführt, wurde der Freiraum nicht selten für eigene und Gruppeninteressen soweit wie möglich ausgereizt.

Gescheiterte Versuche der Begrenzung

In den USA gab es in den 1980er-Jahren mehrere Anläufe, die Höhe der Vergütungen zu begrenzen: eine Strafsteuer für Abfindungen, wenn sie über dem Dreifachen der Basisvergütung lagen; eine Beschränkung der Abzugsfähigkeit des fixen Gehaltes, wenn dieser eine Million USD überstieg. Beide Einschränkungen wurden von den Unternehmen zu deren Lasten umgangen. Die Deckelung hatte zur Folge, dass ab dem Datum der Einführung die meisten Anstellungsverträge an diese Grenze herangeführt wurden. Auf höchst kreative Weise wurden im Verbund mit Executive Service Consultants(15) und Steuerspezialisten „innovative" und gewichtige Bestandteile eingeführt: Antrittsprämien, Aktienpakete und diffizile Optionslösungen (insbesondere Unvested Stock Options), Pensionszusagen und alle möglichen „Perks"; das sind sogenannte Sonderleistungen. Der Ausschluss jeglicher Risiken wurde durch eine D&O-Insurance (Directors and Officers Liability Insurance, im Wesentlichen eine vom Unternehmen bezahlte Managerhaftpflichtversicherung auf Vollkaskobasis) sichergestellt. Die kreativsten Lösungen wurden publik gemacht und machten sodann Schule. Weitere Versuche der Begrenzung der Vorstandsgehälter unterblieben (mit Ausnahmen der „Bail-out"-companies).(16)

Ein deutsch-amerikanisches Beispiel ist der Fall von Klaus Kleinfeld, des Kurzzeit-Vorstandsvorsitzenden von Siemens und jetziger CEO des Aluminiumkonzerns Alcoa. Er ist der Ausnahmefall eines in die USA gewechselten deutschen Spitzenmanagers. Das ergab sich dadurch, dass Kleinfeld bereits in seiner früheren Funktion als Chef der Siemensholding in den USA im Board des Aluminiumkonzerns mit Sitz in Manhattan vertreten war. Als Ablösung einer Konkurrenzklausel kassierte er von Siemens einen Ausgleichbetrag von 5,75 Millionen €. Von Alcoa erhielt er ein allseits beachtetes Antrittspaket: 7,7 Millionen USD (Antrittsprämie, Umzugskostenentschädigung und unter anderem ein Aktienpaket. Angeblich wurde Kleinfeld für die ihm entstandenen Rechts- und Beratungskosten entschädigt. Bei einem eventuellen vorzeitigen Ausscheiden und bei Eigentumswechsel sind zwei Jahresgehälter fällig. Der Fall Kleinfeld kann Rückwirkungen auf den hiesigen „Markt" für CEOs haben, wenn es zu der von der Wirtschaftspresse anvisierten Rückkehr nach Deutschland kommen sollte.

Ein anderer, wesensverwandter Fall ist die Vergütung des Vorstandsvorsitzenden Martin Blessing von der Commerzbank. Im Jahr 2012 billigte ihm der Aufsichtsrat 1,3 Millionen € (zusätzlich Boni von 1,75 Millionen € zu, wenn die vereinbarten bescheidenen Ziele erreicht werden; was dann nicht eintrat). Seit seiner Bestellung an die Spitze des Vorstandes verlor das mit 18 Milliarden € Steuermitteln gerettete und teilverstaatlichte Institut über 80% der Börsenkapitalisierung und zahlte keine Dividende.

Die Aufwärtsspirale bei Vorstandsvergütungen dreht sich mit der wachsenden Zahl von externen Besetzungen. Ein weiterer Grund dafür sind die auf Executive Search und Compensation spezialisierten Serviceorganisationen, die an einem hohen „Turnover" interessiert sind und ständig mit „Studien" zur Hand sind, die eine relative Unterbezahlung der CEOs nachweisen.

Shareholder Value und Pay for Perfomance – ein unheilvolle Kombination

Die leistungsabhängige Vergütung der Unternehmensleitung erhielt bereits 1976 ihre von der Institutionen-Ökonomik abgeleitete theoretisch-rationale Begründung durch Michael Jensen; der Shareholder Value erhielt ebendiese 1986 durch Alfred Rappaport. Die Verknüpfung beider Handlungsorientierungen schuf eine scheinbar stringente Begründung für die Incentivierung entlang einer einfachen, kurzfristigen Formel. Fortan hielten sich die Interessierten von den Business Schools über die Berater bis zu den unmittelbaren Nutznießern, den CEOs/Vorständen an diese, plausibel erscheinende Fundierung.(17) Dass die Proponenten später von den Fehlwirkungen ihrer Konzepte, namentlich Managerial Heroin und Short-termism, Abstand nahmen, ging im Strudel der handfesten Interessen und Vorteile unter.

Scheinrationale Begründungen

Die landläufige Argumentation für hohe Vergütungen ist einigermaßen bekannt. weil sie immer von Neuem ins Treffen geführt wird. Einmal gehe es darum, die „Besten" anzuziehen und zu halten, weil für diese „Besten" das Gehalt entscheidend sei; dann geht es darum zu zeigen, dass man die „Besten" hat, weil man sie eben entsprechend honoriere; schließlich habe eine hohe Vergütung den starken Anreiz für Aspiranten bzw. die gesamte Organisation, dem Bestbezahlten nachzueifern und das Beste zu geben. Es wird der Vergleich zu Turnieren bemüht, bei denen eine Siegesprämie ausgelobt wird. Hohe Vergütung wirke wie ein „kollektiver Motivator". Was soll man von diesen Argumenten halten?

Diese Behauptungen stehen in krassem Widerspruch zum Common Sense und werden auch wissenschaftlich widerlegt(18): Danach fällt die Entwicklung des Aktienkurses der Unternehmen mit den höchstbezahlten CEOs gegenüber dem ihrer Konkurrenten deutlich ab. Für jeden Dollar „Mehrzahlung" an den CEO erleiden die Aktionäre danach gar eine Einbuße von rund 100 Dollar.

Die Rechtfertigung eines hohen variablen Anteils wird mit einer angeblich allseits gewünschten Leistungsabhängigkeit in Verbindung gebracht. Wenn ein Leistungsbezug klar herstellbar ist, ist er leicht vermittelbar. Aber in vielen Fällen variieren die Vorstandsvergütungen so wenig, dass man von einem „Vorstandstarif" sprechen kann.(19) Dann kann gemutmaßt werden, dass eben alle Vorstände durchschnittliche Leistungen auf höchstem Niveau bringen.

Ein anderer Problembereich ist die notorische Intransparenz bei den Vorstandsbezügen. Der unvoreingenommene Leser der Vergütungsberichte, die in manchem Jahresbericht eines Dax30-Unternehmens bis zu zehn enggedruckte Seiten einnehmen, gewinnt unweigerlich den Eindruck, dass ausgerechnet in diesem Teil des Geschäftsberichts Unübersichtlichkeit und Vertuschung gewollt sind.(20)

Bei der Vergütung von Vorständen liegt mit der Paritätischen Mitbestimmung eine deutschlandspezifische Situation vor. Die Arbeitnehmerseite ist immer im Personalausschuss vertreten, der in der Zeit vor dem VorstAG (Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung von 2009) über das System und die Höhe der Bezüge befand, nun im Plenum des Aufsichtsrats mit paritätischer Beteiligung. Bisher wurde nicht dem Vorwurf widersprochen, dass die Arbeitnehmerseite in der Person eines stellvertretenden Vorsitzenden, meist eines entsandten hohen Gewerkschaftsfunktionärs, gegen überhöhte Vergütungen gestimmt hat. Vielmehr machte der Eindruck die Runde, dass eine gegenseitige Nichteinmischung üblich ist. In einigen Fällen wurde von Kollusion hier Arbeitsplatzgarantie, dort Aufbesserung von Vorstandsbezügen gesprochen, einer Verabredung zu gemeinsamer Vorteilswahrung zulasten der Anteilseigner.

Mythen und Fakten

Um die Vorstandsvergütung rankt sich so manche Meinung, die einem genauen, unvoreingenommenen Hinsehen nicht Stand hält. Im Folgenden sind fünf geläufige aufgeführt:

Mythos 1

Nachdenklich muss die landläufige Behauptung stimmen, dass es einen funktionierenden, internationalen, gar globalen Arbeitsmarkt für Führungskräfte gäbe. Dagegen sprechen viele Fakten, vor allem die außerordentlich geringe Quote ausländischer CEOs in den wichtigsten Industrieländern.(21) Dass Vergleiche der Führungsqualität von Top-Managern fragwürdig sind, ist bekannt, auch dass es keine hinreichende Sicherheit gibt, ob ein höchstbezahlter und anderswo für erfolgreich gehaltener CEO auch reüssiert. Der Variablen sind zu viele.

Mythos 2

Im Allgemeinen wird von interessierter Seite suggeriert, dass zur Auslösung eines Bonus eine hohe Hürde zu nehmen ist; auch dass dieser Fall kaum manipulierbar ist. Das trifft in einer Vielzahl der Fälle nicht zu. Die große Zahl von Bilanzfälschungen mit dem Ziel Boni zu kassieren vor allem in der Zeit vor dem „SOX" (Sarbanes-Oxley Act) zeigte, dass eine allgemeine Unschuldsvermutung nicht angebracht ist.

Mythos 3

In den 1970er-Jahren wurde das Argument vorgebracht so bei IBM , dass mit dem Aufstieg in der Unternehmenshierarchie das Risiko der Entlassung wegen unzureichender Performance steige und der notwendige Ausgleich in einer höheren Vergütung stattfinde; dies war ein wohlverstandener Standpunkt. Aber ist das Risiko eines CEO heute denn so viel höher, dass ein derart hoher Risikoaufschlag geboten ist?

In der Regel erhalten viele abgelöste CEOs mit Hilfe der erwähnten Executive Search-Firmen Leitungsjobs in anderen Unternehmen oder werden was vielen eher liegt im Private Equity Business oder in verwandten Geschäften aktiv. Auf jeden Fall ist deren Job aufgrund der Vertragslaufzeit und -modalitäten weniger anfällig für einen bedeutenden Einkommensabstieg als dies für nachgeordnete Führungskräfte zutrifft. Und wenn sich CEOs als „angestellte Unternehmer" sehen, verträgt sich dieses Selbstbildnis allemal nicht mit einer persönlichen Risikominimierungsmentalität. Aufschlussreich ist die Beobachtung, dass bei heutigen „Anstellungsverträgen" von Vorständen die Regelung der Ausstiegsmodalitäten häufig einen größeren Raum einnimmt als die Anstellung selbst; ein Zeichen, dass die Risikoaversion in eigenen Belangen auffallend ausgeprägt ist.

Mythos 4

In den letzen Jahrzehnten kam es häufig zu einer starken Personifizierung von Unternehmen durch den CEO. Gründe dafür sind neben der Selbstgefälligkeit, die bis zum Narzissmus reicht, die große Vorliebe der Medien für die Personalisierung(22), das hartnäckige Bestehen der Kapitalmarktvertreter auf dem Gespräch mit dem „Chef" und die in Business Schools gepflegte Sicht, dass nur der CEO zählt. Dieses Bild gehört korrigiert: Nach jüngsten Untersuchungen hat der CEO einen Einfluss auf die Gesamtperformance von maximal 15 %; also einen wesentlich geringeren als der ihm vielfach zugerechnete.

Nach Untersuchungen von Lucian Bebchuk von Harvard korrelieren zunehmende Einkommensunterschiede von Vorständen im Verhältnis zu dem des Vorsitzenden/CEO mit geringeren Gewinnen und einer schwächeren Marktbewertung. Vor diesem Hintergrund ist die in Deutschland üblich gewordene einkommensmäßige Hervorhebung des CEO mit bis zu 100 % zu den Vorstandskollegen nicht vertretbar.

Mythos 5

Die Unabhängigkeit und Zusammensetzung des Aufsichtsrates ist die Garantie, dass es zu einer Objektivierung und Begrenzung der Vorstandsbezüge kommt. Dass Aufsichtsräte de facto weniger unabhängig sind als vorgegeben, hat mit dem intransparenten Beziehungsgeflecht der Deutschland AG und mit der Paritätischen Mitbestimmung zu tun. Während vor 20 Jahren die Eigentumsverflechtung bei deutschen Konzernen mehr oder wenig offen lag, hat sich diese in Folge deren Auflösung stärker zu einem persönlichen Beziehungsgeflecht auf der Ebene der Aufsichtsräte gewandelt. Dazu reicht der Hinweis auf die Rolle von Vielfach-Aufsichtsräten (Cromme, Lehner(23), Schneider(24), Wenning) und die gegenseitigen Besetzungen durch Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende vieler Dax-Konzerne wie Allianz, Bayer, Deutsche Bank, Thyssen-Krupp, EON, RWE. Von den Mehrfach-Aufsichtsräten hat sich keiner durch eine konservative Handhabung von Vorstands- und Aufsichtsratsvergütungen hervorgetan, sondern in offensichtlichem Gleichklang und Gleichmut gegenüber den Aktionären die stetige Anhebung der Vergütungen betrieben.

Die Ausgestaltung der Regelungen für Vorstandsvergütungen war bisher einem engen Personenkreis vorbehalten, der im Nominierungs- und Personalkomitee bzw. im Präsidialausschuss sitzt. Verfolgt man die Entwicklung in den DAX30-Unternehmen über längere Zeit und blendet dabei die persönlichen und firmenmäßigen Verflechtungen ein, ist in der Tat eine „Aufwärts-Harmonisierung" nicht zu übersehen. Informelle Gemeinsamkeit schließt nun mal gegenseitige Großzügigkeit ein.

Auf Seite der Arbeitnehmer bilden die jeweils bestimmenden Gewerkschaften einen Interessensblock, der von den entsandten hohen Funktionären angeführt wird. Die Vertreter der Belegschaft ordnen sich in dieses Regime ein. Aus der Frontbildung von Interessen die Arbeitnehmerseite für höhere Löhne und Arbeitsplatzgarantien im Wesentlichen für ihre Mitglieder ergibt sich verständlicherweise eine gewisse, bisweilen schwer nachvollziehbare Zurückhaltung bei den Vorstandsvergütungen. Dieses Zusammenspiel erklärt so manche „Überbezahlung".

Vorstandsvergütung ist ein mystifizierter Teil der Unternehmensführung bzw. -aufsicht, der dringend einer Offenlegung bedarf. Diese ist eine Voraussetzung, die besondere Dynamik nach oben zurückzudrehen. Ein markantes Zeichen für ein manageristisch geführtes Unternehmen ist mangelnde Transparenz bei der Vorstandsvergütung.

Peter Drucker – früher Warner vor „Überbezahlten Managern"

Der größte Managementdenker des letzten Jahrhunderts, Peter Drucker (1909-2005) hat sich zeitlebens mit dem Anliegen beschäftigt, was Institutionen bzw. Organisationen funktionstüchtig macht und was sie hindert, für die Gemeinschaft nutzbringend zu sein. Das brachte ihn dazu, sich immer wieder mit der Frage der Entlohnung von Arbeitern und Managern zu befassen.

Frühe ernüchternde Beobachtungen

In The Practice of Management (1954) war seine zentrale Botschaft, dass das Risiko der Entlassung für schlechte Leistung auch eine Belohnung für besondere Leistungen einschließen muss. In Management: Tasks, Resonsibilities, Practices (1973), im Teil Executive Compensation and Economic Inequality zitiert er Befragungen, wonach das Verhältnis von 10 oder 12 x (versteuert) die richtige Proportion, des Abstandes von CEO und Arbeiter ist.

Die Entlohnung von Arbeitern und Managern bekam nach seiner Beobachtung zusehends einen rein materiellen, monetären Einschlag. Die Arbeiter unterstützenden Gewerkschaften einigten sich auf die einfache Formel des „einfach mehr" (an Lohn) ohne besondere Rücksicht auf die jeweilige Situation von Unternehmen, Branchen und Wirtschaft. Auch die Manager verfolgten unentwegt eine überproportionale Vergütung. Die materialistische Einstellung machte sich in den USA insbesondere ab Mitte der 1960er-Jahre breit. Peter Drucker sah die Manager in der Rolle, den Stellenwert finanzieller Anreize in Grenzen zu halten und nicht auf sie zu setzen. Das Gebot des Maßhaltens war für ihn von zentraler Bedeutung. Das langfristige Gedeihen von Unternehmen, der Wirtschaft und der Gesellschaft ist davon nicht zu trennen.

In Frontiers of Management (1986) hat er sich dezidiert gegen den „Greed Effect" (Faktor Gier) des Top-Managements ausgesprochen. Anlass war das Verhalten des damaligen CEO von Chrysler, Lee Iacocca, der sich einen hohen Aufschlag genehmigen ließ und gleichzeitig von den Arbeitern angesichts der schwierigen Wettbewerbssituation des Unternehmens Lohneinbußen einforderte.

Kritische Rolle der Vorstandsvergütung

Unzufriedenheit ist der größte potentielle „Demotivator"; das gilt in besonderem Maße für ungerechtfertigte Vergütungen, die immer wieder Anlass zu Irritationen sind. Stets gilt es, das Grundprinzip des Ausgleichs von Individuum und Gruppe im Unternehmen und darüber hinaus zu wahren. In seiner Vorstellung von einer „gut funktionierenden Gesellschaft" sind alle begründeten Anlässe für Sozialneid zu meiden.

Nach Peter Drucker berührt die Vergütung in einem meist unterschätzten Maße die Legitimität des Managements. Nach seinem späten Urteil verletzten amerikanische Manager mit den exzessiven Vergütungen vorsätzlich das hippokratische Gebot des Primum non nocere; die Pflicht, der Gesellschaft wissentlich keinen Schaden zuzufügen. Mehrere Male wies er darauf hin, dass es sich bei den Betreffenden um eine recht kleine Gruppe handelt. Nach seiner Schätzung für die USA waren es 500 – 1000 Vorstandschefs/Vorstände , die jedoch einen enormen Einfluss auf das gesellschaftliche Gesamtgefüge nimmt. Wegen der Signalwirkung auf die Gesellschaft warnte er eindrücklich vor unbedachtem Verhalten und den Langzeitfolgen.

Ein nicht stimmiges Vergütungssystem ist für Peter Drucker ein ernst zu nehmender Grund für Fehlausrichtungen im Management. Denn es beeinflusst in hohem Maße Richtungsentscheidungen, erzeugt falsches Verhalten, führt zu schlechten Ergebnissen und vergrößert den Abstand zur Gesellschaft. Als eindrucksvolle historische Bestätigung nannte er J.P. Morgan Jr., den einflussreichsten Banker des 19. Jahrhunderts, und Georg Siemens, Mitgründer der Deutschen Bank. Beide gelangten getrennt zur Einsicht, dass ein austariertes Vergütungssystem bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit von Firmen wichtig ist. Große Abstände an der Spitze galten ihnen als Indiz für die Geringschätzung von Bindung und Gemeinschaft und als handfester Beweis für eine eigennützige Haltung des Managements, die das Kreditrisiko erhöht.

Sein Vorschlag: Maßvolle Proportionalität

Wiederholt merkte er an, dass es in der Frage der Vorstandsvergütung aber nicht nur dort kein faires, wissenschaftliches System gibt und geben kann. Daher geht kein Weg an einem umsichtigen Urteil über die Leistung von Managern vorbei. Aber es gibt Erfahrungen und, spätestens mit den Studien von General Motors in den1950er-Jahren, gefestigte Erkenntnisse, dass es auf die Verhältnismäßigkeit, auf die Relationen innerhalb und abgeschwächt auch außerhalb eines Unternehmens ankommt.

Maßgeblich ist für Peter Drucker eine moderate Proportionalität der Nettoeinkommen. Die von ihm genannte entsprechende Bezugsgröße lag 1977 bei 20:1, 1984 bei 25:1 (nach Steuern). Für „Stars", die außerordentliche Leistungen erbringen, solle das Limit nicht greifen. Grundsätzlich trat er für eine leistungsgerechte Belohnung ein, aber nicht für eine individualistische, stark differenzierende, auch nicht für eine nivellierende. Unbestritten außerordentliche Beiträge, wie Erfindungen bzw. Innovationen, verdienen auf jeden Fall eine besondere Anerkennung.

Wenn der Statuscharakter („Make believe money") von Geld Vergütungen in die Höhe getrieben hat, spricht er sich dafür aus, "Überverdienste" zu spenden(25), am besten gar nicht anzunehmen. Sondervergünstigungen wie Privatjets und Country-Club-Mitgliedschaften sollen nicht gewährt werden. Die Top-Manager sollen selbst auswählen, für was sie aufkommen wollen. Auch die Gewährung von „Golden fetters" (heute: Golden Handcuffs) von übermäßigen Ansprüchen auf Pensionen und Aktienoptionen sollte ausgeschlossen sein, weil sie eine nicht gemäße Bindung an das Unternehmen bezwecken und die Nutznießer über die anderen stellt.

Aus heutiger Sicht war Peter Drucker in puncto Vorstandsvergütung ein „Radikaler". Noch 1984 kritisierte er die Vergütung von Managern („Überbezahlte Vorstände: Habsucht und ihre Folgen" heftig und trat für eine ausgewogene Gesellschaft ein. Zu große Ungleichheit störe das gute Funktionieren der Gesellschaft nachhaltig. Es sei mit einem „Backlash" infolge der gesellschaftlichen Folgen nicht vermittelbarer Vergütungen zu rechnen. Sein Urteil über ein Management, das sich höhere Vergütungen zuschanzt und gleichzeitig die Belegschaft abbaut, lautete harsch: „morally unforgivable".

Peter Drucker hat die wesentlichen Fehlentwicklungen vorausgesehen; er hat moderate Abstände in der Vergütung als gemeinschaftsnotwendig zum Wohle aller gewertet. Davon ist man heute weiter denn je entfernt.

Die Zeit für eine grundlegende Reform ist gekommen

Die Vergütung des CEOs/Vorstandes ist ein in seiner Ausstrahlung auf die Belegschaft und Gesellschaft unterschätztes Element der Unternehmensführung. Wird der grundlegenden Anforderung an gerechte Entlohnung an der Spitze von Unternehmen nicht Rechnung getragen, hat dies schwer einzuschätzende Folgen.

Abkehr vom Managerismus

Für manageristisch agierende Vorstände/CEOs sind Unternehmen Cash Generatoren mit einer stetig steigenden Börsenkapitalisierung. Die Grundelemente der Unternehmenssteuerung sind möglichst wenig Ressourcen, im Wesentlichen wenig und womöglich billiges Personal, geringes Anlagevermögen und womöglich keine eigene Produktion, stattdessen Stäbe von Consultants nach Bedarf. Großer Wert wird auf Marketing- und PR-Aufwendungen gelegt, um den Brand-Value zu maximieren. Für das Orchestrieren globaler Wertschöpfungsketten, das Margen-Management und die professionelle Repräsentanz des Unternehmens gegenüber dem Kapitalmarkt beansprucht die Leitung eine kurzfristig fällige „Wertsteigerungsprämie", die nach oben offen ist und der bei negativem Ausgang keine Einbußen gegenüber stehen. Kennzeichnend für viele CEOs ist die häufige Überschätzung ihrer Wichtigkeit und ihres langfristigen „Impacts". (26) Dieser Illusion steht eine andere auf Seite der Aktionäre und Aufsichtsräte gegenüber, nämlich dass sie die großen Unternehmen überwachen und beherrschen. Nach Galbraith und anderen sind es in Wahrheit die Vorstände bzw. der CEO. Diesem Zerrbild verantwortlicher Unternehmensführung liegt implizit so mancher Drang nach hoher Vergütung zugrunde.

Andere Maßstäbe – andere Vorbilder

Mit dem Erreichen eines allgemein hohen Einkommensniveaus schwächt sich die Bedeutung weiterer Einkommenssteigerungen ab. Das zeigen zahlreiche Untersuchungen aus jüngster Zeit zu Wohlbefinden und Glück. Des Weiteren gilt, dass die Reduzierung von Ungleichheit ein wirksamer Weg ist, die Lebensqualität aller zu verbessern. Die skandinavischen Länder mit einer hohen Gleichverteilung (mit dem niedrigsten Gini-Koeffizent, dem Ungleichverteilungskoeffizienten) unter den OECD-Ländern sind gute Beispiele für die Vorteile gesellschaftlicher Egalität, gute soziale Beziehungen und für eine hohe Lebens-und Umweltqualität. Dort unterliegen die Gehälter von Managern einem traditionellen gesellschaftlichen Reglement, nach dem diese in einem maßvollen Verhältnis zu dem der anderen Mitglieder der Gesellschaft zu stehen haben. Das Niveau liegt nach Ländern abgestuft weit unter dem anderer europäischer Länder: in Dänemark und Schweden bei weniger als 25%, in Norwegen und Finnland noch tiefer – bei allgemein hohen Steuern und Lebenshaltungskosten; und das obgleich viele Unternehmen in hohem Maße internationalisiert sind. Die Bezüge von CEOs bewegen sich überwiegend unter der Ein-Million-€-Grenze. Die Spreizung von den Spitzengehältern zu denen an der Basis liegt in Schweden, dem am stärksten differenzierten skandinavischen Land, innerhalb von 1:50 (1990: noch 1:9).(27)

Respektierung allgemein gültiger Grundsätze

Notwendig ist die Verpflichtung auf allgemeingültige Prinzipien verantwortlicher Unternehmensführung. Das erste Prinzip heißt: Keinen der Interessensberichtigten des Unternehmen zu schaden. Das erfordert ein entsprechendes Verständnis des Vorstandsvorsitzenden / CEO als Sachwalter der Stakeholder (Servant Leader) und der ständigen Beachtung von Gemeinschaft und Kooperation.

Und zuletzt: Die Betonung auf Belohnung verlangt von den dafür Verantwortlichen ein umsichtiges Urteil über den Beitrag des Einzelnen. Die Entbindung von diesem Urteil durch ausgeklügelte, von Beratern teuer verkaufte Anreiz-Systeme mit komplizierten Formeln, scheint professionell. Aber sie sind jedenfalls nicht vertrauenswürdig, wenn man weiß, dass das Verdienstpotential der Vorstände nach dem Prinzip „kommunizierender Röhren" um mindestens ein Drittel nach oben gehoben wird.

Vernünftige, einsichtige Regeln für die Vorstandsvergütung

Eine gut funktionierende Wirtschaft gründet auf einer breiten Akzeptanz der Verantwortlichen, die die Bindung von Belegschaften und des Einzelnen ernst nehmen und es dadurch beweisen, dass sie die Regeln auch gegen sich gelten lassen.

Im Folgenden werden acht Regeln angeführt, die bei der Vorstandsvergütung maßgeblich sein sollten und zu denen ein breiter Konsens in der Gesellschaft möglich ist.

1) Klare Relationierung (Drucker Principle) des Nettoeinkommens zwischen Unternehmensspitze und Belegschaftsbasis.

2) Proportionalität innerhalb des Vorstandes und zu der unmittelbar darunter liegenden Ebene von maximal 30-40 %-Abständen.

3) Berücksichtigung des gesellschaftlichen Kontexts
Orientierung an egalitären Gesellschaften wie Skandinavien (28) oder Japan, auch China; Abkopplung Europas von der Vergütungspraxis der USA.(29)

4) Entscheidung über Vergütung und jährliche Überprüfung (unter Nutzung von Abfrageergebnissen zur Zufriedenheit der Mitarbeiter) durch die Eigentümer (nicht durch den Aufsichtsrat wie im VorstAG geregelt).(30)

5) Einfachheit bzw. Überschaubarkeit der Lösung und Einbeziehung der Gesamtkosten des Vorstandes/Boards (Total Costs of Management umfassen auch die Kosten für Beratung, Gutachten, Lobbying); übersichtliche Darstellung der Barwerte von Pensionsrückstellungen und Abfindungen.

6) Auf Langfristigkeit ausgelegt
Bei Erwerb von Aktien eine Haltedauer von minimal 5 Jahren. Aktien als zentrales und „gemäßes" Vergütungselement sind vertretbar, wenn sie der Restriktion einer langen Haltefrist unterworfen und als Aufwand gebucht werden.

7) Einschluss von Risiko und persönlicher Haftung (31)
Ausschluss einer umfassenden D&O (nicht versicherungsfähiger Selbstbehalt in spürbarer Größe, d.h. mehr als das Eineinhalbfache des fixen Jahresgehaltes wie im VorstAG vorgesehen).

8) Ausschluss von Zusatzleistungen (wie private Nutzung von Flugzeugen, Country Club-Mitgliedschaften etc.); Begrenzung der Pensionen auf maximal fünf Jahresgehälter; keine Antrittsprämien.

Zur Relationierung wird noch dieser Vorschlag eingebracht: Unter Abwägung von gesellschaftlicher Verträglichkeit und Nachhaltigkeit ist eine Spanne von maximal 50 zu 1, als Relation zwischen Geschäftsführern und Facharbeitern vertretbar. Diese deckt sich in etwa mit dem obersten Level in Skandinavien. In großen Familien-/Stiftungsunternehmen liegt die Relation zwischen Geschäftsführern und Facharbeitern – abgesehen von Ausreißern beispielsweise der Medienbranche – beim 10-12-Fachen.

In Politik und Wirtschaft ist ein Konsens zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu Regeln der Vergütung notwendig. Als Referenz können große, gut geführte Unternehmen des Mittelstandes herangezogen werden.

Vorstandsvergütung: Prüfstein guter Governance

Die Vorstandsvergütung ist ein gutes Indiz für die Qualität von Corporate Governance und für soziale Sensibilität. In der Vergangenheit ist es in einem früher nicht für möglich gehaltenden Maße zu korrumpierenden und selbstsüchtigen Machenschaften gekommen. Die Gesetzgebung zur Vorstandsvergütung entspricht einem politischen Reflex mit aufgeweichten Regelungen. Das Ganze hat Patchwork-Format.

Klar ist: Es geht nicht um Änderungen im Detail, an bestimmten Regularien: Eine Neuorientierung ist gefordert. Mit Blick auf die Zukunft ist ein Verständnis zu entwickeln für die

Stimmigkeit des Gehaltsgefüges der gesamten Belegschaft

Es kann nicht angehen, dass die Unternehmensspitze bei Löhnen der Belegschaft nach „Osten", sprich nach Osteuropa und China, zeigt, aber bei ihren Bezügen nach „Westen" schaut, nämlich nach den USA.(32)

Relativierung monetärer Vergütung

Selbstverwirklichung und Gestaltungsmöglichkeiten müssen die wichtigsten Antriebe sein. Der ärgerliche Widerspruch ist aufzuheben, dass die „Leitungskosten" des Vorstands dem Gesetz eines überproportionalen Zuwachses folgen, dass bestimmte normale Tätigkeiten eines CEOs eine besondere Honorierung verdienen.(33) Einsparmaßnahmen bei der Belegschaft und gleichzeitige Absenz des Vorstandes sollen nicht einmal in Erwägung gezogen werden; wenn es dazu kommt, ist ein sozialer Ausschluss von Vorstand und Aufsichtsrat angeraten.

Es ist an der Zeit, das Ansehen der einflussreichen Gruppe der Unternehmensleiter bzw. Vorstände in der Gesellschaft wesentlich zu verbessern; das heißt auf ein Niveau zu heben wie es in skandinavischen Ländern der Fall ist. Das tut dem gesellschaftlichen Miteinander gut und stärkt die Soziale Marktwirtschaft.

Die Vorbildfunktion des CEO und der Vorstände, ist unabdingbar. Glaubwürdigkeit und Vertrauen müssen erworben werden; sie können nicht zugesprochen werden. Das bedeutet, dass die Verantwortlichen in der Sache der eigenen Vergütung klare Positionen beziehen müssen,(34) Transparenz schaffen und Bescheidenheit üben. Wenn es die CEOs nicht selbst tun, ist die Alternative eine strenge gesetzliche Regelung.

Manfred Hoefle

 

Literatur

  • Drucker, Peter, F.:  Overpaid Executives, in: The Frontiers of Management, Where Tomorrow's Decisions are Being Shaped Today, Truman-tally Books, New York, 1986; (Deutsch: Die Chance des Unternehmers Signale für das Management von morgen; Econ, 1987.
  • Drucker, Peter, F.: Management: Tasks, Responsibilities, Practices; Harpers & Row, New York, 1973.
  • Frey, Bruno; Osterloh, Margit: Yes, Managers Should be Paid Like Bureaucrats; Journal of  Management Inquiry, March 2005.
  • Galbraith, John, K.: Die Ökonomie des unschuldigen Betrugs Vom Realitätsverlust der Heutigen Gesellschaft, Siedler, München, 2005.
  • Hoefle, Manfred: Managerismus Unternehmensführung in Not, Weinheim, 2010.
  • Jensen, Michael, C.; Meckling, William, H.: Theory of the Firm Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure, Journal of Financial Economics, 3/1976.
  • Lafley, Alan, G.: Executive Pay: Time for CEOs to Take a Stand; Harvard Business Review, May 2010.
  • Ulrich Jürgens, Joachim Rupp, Katrin Vitols: Shareholder Value in Deutschland - Nach dem Fall von Mannesmann Wissenschaftszentrum Berlin, Berlin 2000.
  • Wilkenson, Richard; Picket, Kate:    The Spirit Level – Why More Equal Societies Almost Always Do Better; Allan Lane/Penguin Books, London, 2009.

Zeitschriften / Zeitungen / Internet

The Economist („Why the world should look at the Nordic countries.) "Feb. 2ND-2013;
Frankfurter Allgemeine, Focus, Wirtschaftswoche, Fortune, Wall Street Journal.
highpaycentre.org
www.kienbaum-compensation.com
www.towerswatson.com
www.egonzehnder.com
www.managerismus.com

 

Anmerkungen

(1) Abgesehen vom politischen Besänftigungswert ist der Mehrwert eines solchen Gesetzes zu hinterfragen, zumal im § 87 des AktG das Kriterium der Angemessenheit bereits enthalten, aber nicht folgewirksam war.
(2) Ein anschauliches Beispiel für die Wechselwirkung der Veröffentlichung ist Siemens.
(3) Die Initiative kam am 3. März 2013 zur Abstimmung und wurde mit einem Ja-Stimmenanteil von 67,9 %, dem dritthöchsten aller Refernden, angenommen.
(4) "Zum ersten Mal in der Geschichte der EU-Finanzmarktregulierung werden Boni für Banker gedeckelt", sagte der Verhandlungsführer des Parlaments, der österreichische Abgeordnete Othmar Karas. Banker-Boni dürfen künftig prinzipiell nur noch so hoch ausfallen wie das feste Grundgehalt".
(5) Die Europäische Kommission will bis Jahresende 2013 ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Begrenzung von Managergehältern in allen Branchen vorlegen, das neben den Gehältern auch die Abfindungen und neue Transparenz-Regeln beinhaltet. „Bei allen an der Börse notierten Unternehmen in der Europäischen Union müssen die Aktionäre dann über die Höhe der Gehälter entscheiden, inklusive goldener Handschläge". (EU-Kommissar für den Binnenmarkt, Michel Barnier)
(6) Deutsche Medien betonten regelmäßig mit einem bedauernden Unterton den Abstand zur Vergleichsgruppe in den USA, so der Focus unter der Überschrift: „US-Vorstandschefs bekommen deutlich mehr. Trotz der scheinbar hohen Vergütungen können Manager deutscher Unternehmen von Gehältern wie sie ihre Kollegen in den USA erhalten nur träumen." Auf der anderen Seite beklagen sie mitunter die „exzessiven" Gehälter. Ein Proponent von entspre-chenden Rankings ist das Manager-Magazin (mm).
(7) Bemerkenswert ist, dass sich keiner der rund 20 Lehrstühle für Wirtschaftsethik im deutsch-sprachigen Raum zur Vorstandsvergütung explizit geäußert hat. Wenig Beachtung fanden die grundlegenden Analysen von Bruno Frey und Margit Osterloh von der Universität Zürich.
(8) Im Falle von ExxonMobil halten die vier größten „Aktionäre" das sind Megafunds gerade mal einen Anteil von zusammengenommen 4 %. Das Unternehmen ist typisch für ein atomistisches Unternehmen, das „vielen & niemandem" gehört.
(9) Der Abstand erreichte 2000 seinen Höchstwert mit 525.
(10) Das extreme Ausmaß wird beim Einbeziehen der Hedge-Fondsmanager deutlich: Das Ein-kommen der 25 Top-Verdiener überstieg das Gesamteinkommen der 500 CEOs des Standard & Poors Index; es handelt sich um die „Königsklasse der Abzocker". Die Chefs von Strategy Consultancies und von Anwaltskanzleien liegen mit ihrem Einkommen in der Nähe von CEOs.
(11) Der CEO Robert J. Eaton von Chrysler bezog das 7-Fache von Schrempp.
(12) Ulrich Hartmann, ehemaliger Vorstandsvorsitzender von VEBA und Multi-Aufsichtsrat, ging Ende der 1990er-Jahre in einer Art selbsterfüllender Prophezeiung davon aus, dass sich deut-sche Unternehmen zunehmend an amerikanischen Vergütungssystemen ausrichten werden; er beförderte nämlich diesen Trend selbst, indem er den Shareholder Value (SHV) in Deutsch-land „mit-pilotierte".
(13) Daran ließ sich grosso modo das Einkommen eines McKinsey-Directors ableiten, der als Key-Account-Manager für Siemens erheblich mehr verdiente als die Vorstände des Klienten.
(14) Siehe Günter Ogger unter Ackermann, Winterkorn und der Neidfaktor
(15) Die bekanntesten sind Tower Watson (14 000 Mitarbeiter), Hay, Kienbaum, Egon Zehnder.
(16) Eine 2007 in den USA vorgeschlagene Regelung der „Mitbestimmung" (Say on Pay) der Aktionärsversammlung bei der Festlegung der Bezüge des Boards erhielt aufgrund mangelnder Zustimmung des Senats keine Gesetzeskraft. Bail-out-companies sind mit staatlichen Rettungschirmen ausgestatteten Unternehmen und Banken.
(17) Siehe das „seminal book" von Alfred Rappaport „Shareholder Value" und die richtungge-benden Artikel von Michael Jensen und William Meckel „Theory of the Firm. Managerial Be-havior, Agency Costs and Ownership Structure" von 1976 und Jensen, M. C.; Murphy, K. J. (1990, May-June). CEO incentives: It's not how much you pay, but how. Harvard Business Review, 68(3), 138-153 und Fuller, J.; Jensen. M. „Just say no to Wallstreet: Putting a stop to the earnings game"; Journal of Applied Corporate Finance, 2002, Winter, p. 41-46.
(18) Untersuchung unter Leitung von Raghavendra Rau von der Purdue University.
(19) Viele Jahre bewegte sich die gesamte Vergütung von Vorständen von Siemens im Schwankungsbereich von 2-3 %, und das bei einem angeblich bedeutsamen individuellen Leistungsanteil und einer für die Belegschaft erkennbaren, stark abweichenden Führungsleistung.
(20) Der Ausgleich eines Konkurrenzverbotes für den Ehrenpräsidenten von Novartis, Daniel Vasella in Höhe von 58 Millionen € blieb unter dem Verwaltungspräsidenten Lehner zunächst unerkannt, löste dann die breite Entrüstung aus, die den Wegzug von Vasella in die USA anstie
(21) Laut der jüngsten Studie zu „Global CEO-Appointments" des High Pay Centre lag die Zahl grenzüberschreitender CEO-Besetzungen bei 0,8 % der Fortune Global 500.
(22) Das sogenannte „Hinauf- und Herunterschreiben" der Medien ist sicherlich keine folgenlose Praxis.
(23) Ulrich Lehner ist neben Mitgliedschaften in Kuratorien, Beiräten und Verbänden Aufsichtsratsvorsitzender der Telekom und von Thyssen-Krupp, E.ON, Porsche, Präsident der IHK Düsseldorf, zuletzt auch interimistischer Präsident des Verwaltungsrates von Novartis als Daniel Vasella seine „Abfindung" erhalten sollte.
(24) Manfred Schneider war/ist Aufsichtsratsvorsitzender von Bayer, Linde, RWE, Aufsichtsratsmitglied von Daimler, TUI, Metro und Kuratoriumsmitglied der Thyssen-Stiftung.
(25) Auch in Deutschland für viele Vorstände eine selbstverständliche Grundhaltung. Angesichts der Kritik an seinen Bezügen sprach J. Ackermann von einem schwer zu vermittelnden Niveau, das sich aber aus seiner internationalen Rolle und aufgrund des Peer-Vergleichs (mit Wallstreet und City of London) erklärt. Es gab übrigens zahlreiche Beschäftigte, vor allem Trader, der Deutschen Bank, die ein Mehrfaches seines Gehaltes bezogen.
(26) In den USA mit dem Begriff „Lake Wobegon Effect" bezeichnet.
(27) Zwei Vergleiche: Der CEO von Sandvik, eines führenden Industrieunternehmens, erhält umgerechnet ein 27 Mal geringeres Einkommen (einschl. Aktien) als sein amerikanisches Pendant. Der Chef der Swedbank, einer der größten Banken bezog nur ein 23-stel der Bezüge des vormaligen Chefs von Barclay. Noch ein historischer Bezug aus dem Jahre 1999, dem Hype-Jahr der Telekommunikation: Die CEO-Gehälter der Chefs von Ericcson und Motorola lagen 1:58 auseinander.
(28) Das öffentliche Vertrauen in die Governance liegt dort doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt.
(29) Empfehlung der Gewerkschaften auf dem WEF für die G20-Agenda: das 20-Fache. In Japan liegen die Abstände beim 8-10-Fachen.
(30) Auch diese Lösung ist wegen der häufig ausschließlichen, kurzfristigen Kurssteigerungsanreize nicht unbedenklich.
(31) Bemerkenswert, dass es im Falle von „Desastern" zu keinen Rückzahlungen bzw. Einbehaltungen von Managementgehältern kam (z.B. Arcandor, Porsche). Haftungstatbestände sind nach der „Business Judgement Rule" sehr weit gefasst: „bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen (durfte), auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln". Haftungsfälle wurden im Wesentlichen nur bei formalen Fehlern bei der Veröffentlichung ausgelöst, die von der D&O-Versicherung abgedeckt waren.
(32) Die Bezüge von Geschäftsführern führender, global tätiger chinesischer Unternehmen wie Huawei (Telekom) und Haier (Hausgeräte) liegen angeblich bei weniger als einem Zehntel der Vorstandsgehälter der Konzerne in Deutschland und in den USA. Auch Südkorea mit Weltklasse-Unternehmen wie Samsung und KIA bieten sich als Kandidaten für einen Vergleich an.
(33) Zum Beispiel die Auslobung eines hohen Transaktionsbonus für den CEO und CFO im Falle eines IPOs. Eine wie auch immer zustande gekommene Börseneinführung wird danach höher bewertet als eine zukunftsbestimmende Innovation.
(34) Alan G. Lafley (vormaliger und wieder bestellter CEO von Procter & Gamble, Follower von Peter Drucker): "Time for CEOs to Take a Stand". " In fact I had no employment contract, no severance, no change-in-control payments, no gross ups, no pension (beyond stock from a modest profit-sharing trust that all P&G employees participate in), and no supplemental retirement plan, and 90% of my pay was at risk in the form of restricted stock and stock options.