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Arbeitswelt
Denkzettel Nr. 40
19.03.2015

Digitale Transformation und Arbeitswelt - Teil 2*

von Sandra Siebenhüter

 

Teil 1  auf Denkzettel Nr. 37:

These 1  Reorganisationsprozesse nehmen stark zu.
These 2  Die Abbildung der Wertschöpfungsprozesse in IT-Systemen verschärft die Frage „make or buy?".
These 3  Der ständige globale Datenzugriff vermittelt die Illusion eines vollkommenen Marktüberblicks.
These 4  Die digitale Logik bestimmt Arbeitsweisen und Bewertungsverfahren.
These 5  Je umfassender die Digitalisierung, desto höher die „Schutzkosten" in Relation zum „Nutzwert".

 

Die Zukunft der Arbeit wird digital sein. Kaum eine Zeitschrift oder Tageszeitung, in der nicht im Wirtschaftsteil oder Feuilleton in regelmäßigen Abständen das Thema Digitalisierung und Industrie 4.0. behandelt wird. Auf Kongressen landauf, landab wird über die Chancen, den Stand der Umsetzung und Gefahren dieses Megatrends diskutiert. Immer wieder wird dabei auf die 2013 durchgeführte Studie der Universität Oxford2 verwiesen: Von 700 Berufskategorien des US-Arbeitsmarktes sind in den kommenden zwanzig Jahren rund die Hälfte durch die Digitalisierung gefährdet; in Deutschland, bewegen sich die Schätzungen auf der gleichen Höhe.3

Drei Entwicklungen sind ernst zu nehmen: Erstens der stetige Preisverfall leistungsstarker digitaler Sensoren, zweitens die schnelle, billige Vervielfältigung von Daten und Informationen und drittens eine immense Zunahme des globalen Datenverkehrs in der Cloud . Diese Entwicklungen verändern das Verhältnis von Hard-/Software und die Wirkung von Netzwerken. Die exponentiell zunehmende Generierung von Daten und ihre vielfältige Verarbeitung eröffnen ein enormes Innovationspotential.

Welche Möglichkeiten sich durch Digitalisierung bieten, sieht man an Google, Amazon, Facebook und Apple: Sie bestimmen den wirtschaftlichen, sozialen und technischen Rahmen für Konsum, Informationsbeschaffung und Beziehungspflege von immer mehr Menschen rund um die Welt. An ihrer infrastrukturellen Macht kommt niemand mehr vorbei, da sie Gatekeeper, Analyst, Forecaster und Guide durch die digitale Welt in einem sind.

Die nachfolgenden fünf Thesen (6-10) sind die Fortsetzung der Thesen von 1-5 vom Oktober 2014.

These 6: Die „Smart-Factory" verändert die Wirtschaftlichkeit.

Die Verschmelzung von Internet, Entwicklungs- Planungs- und Produktionstechnologien ermöglicht eine frühzeitige und flexible Einbindung des Kunden im Design- und Konstruktionsprozess. Heute schon wird der Kundenwunsch5 eines Berliners mit Hilfe des Produktentwicklers, der in Prag sitzt, und den bereitgestellten Fertigungsdaten aus Kopenhagen durch einen individuellen Produktionsprozess in Shanghai umgesetzt. Die intelligente Fabrik ermöglicht diese individuelle Produktion (elektronische Manufaktur, Losgröße 1) sowohl für Konsumgüter wie auch für Industrieprodukte.

Die innerbetrieblichen Abläufe werden dabei mit Hilfe cyber-physikalischer Systeme optimiert, die Produktion wird umgewälzt: Die mit Sensoren, RFID, Transpondern und Mikrokontrollern ausgestatten Komponenten bestellen im Lager selbständig notwendige Bauteile und Komponenten, sie kennen ihre Farbe und den Auslieferungstermin an den Kunden, dem sie auf Wunsch den Produktionsfortschritt melden. Die bisherigen Rüstzeiten von Fertigungslinien reduzieren sich stark. Die Maschine-Maschine- bzw. Maschine-Werkstück-Kommunikation führt zu einer effizienteren und billigeren Serienproduktion. Die anfallenden Arbeitskosten in der Produktion werden zu einer vernachlässigbaren Größe. Ein Beispiel für eine fortgeschrittene "digitale Fertigung" ist das Elektronikwerk von Siemens ist Amberg.

Bereits mittelfristig wird die intelligente Fabrik für jegliche konventionelle Großserienproduktionen zur Konkurrenz. Die Neuordnung der bisherigen internationalen Arbeitsteilung steht erst am Anfang. Die Industrieproduktion wird sich - so die Erwartung von Volkswirtschaftlern und von BDI-Präsident Ulrich Grillo - aus bisherigen Niedriglohnländern in Asien und Osteuropa zurückziehen und nach Deutschland zurückverlagert. Während allerdings, so die Prognose, durch den Einsatz intelligenter Maschinen die Arbeitskosten sinken, nehmen im Gegenzug – und das wird nicht erwähnt – Lizenz- und Nutzungsgebühren zu.

Zunehmen wird auch der Wettlauf der Datenerhebung, um die Wünsche und Bedürfnisse des sog. Musterkunden schnellstmöglich und umfänglich zu erkennen.

These 7: Unternehmen konkurrieren nunmehr um die „letzte Schnittstelle".

Mithilfe umfänglicher Big-Data-Anwendungen (Datenakquise, Analyse und Datenfusion) lassen sich nicht nur die Wünsche der Menschen, sondern auch deren Denkkategorien prognostizieren. Dadurch gelingt es, dem Kunden ein Produkt oder eine Dienstleistung anzubieten kann, die dieser jetzt oder später brauchen kann. Dieser Einsatz miteinander vernetzter Algorithmen ermöglicht völlig neue Dienste und Geschäftsfelder und bringt bisherige Big Player der „alten Industriewelt" in Bedrängnis (disruptive Innovationen). Eine langfristige Machtverschiebung zwischen Industriebetrieb und Datenmanagement-Unternehmen ist abzusehen.

Evident wird dieser intelligente Einsatz von Algorithmen beim Welt-Warenhaus Amazon („das könnte Sie auch interessieren", „Andere Kunden des Produktes haben auch XY gekauft") oder bei Google mit seinem ständig wachsenden Spektrum an Diensten. Wenn Google etwa als Mobilitätsdienstleister (Verkehrsflussüberwachung, Nutzungs- und Fahrverhalten) oder Amazon als Versandhaus mittelfristig mehr über die Anwender und Kunden weiß als der Hersteller der Produkte, sind diese digitalen Player in der Lage, den Kontakt zwischen Hersteller und Käufer zu steuern oder auch zu unterbrechen. Durch ihr Wissen besetzen sie die „Schnittstelle zum Kunden" und damit den digitalen Kontrollpunkt, der es ihnen ermöglicht, Angebot und Nachfrage zwischen dem Kunden/Herstellern/Verkäufern zu steuern. Ein deutsches Beispiel für dieses Geschäftsmodell ist das Unternehmen „Next Kraftwerke"6.

Ihnen ist gemeinsam, dass sie mit ihren digitalen Dienstleistungen den Eingang zur Welt der materiellen Produkte besetzen. Geschäftsprozesse werden dabei nicht mehr vom Produkt, sondern von der Endanwendung her gedacht. Diese Angebote folgen einer anderen Logik als die Angebote klassischer Industrieunternehmen, deren reales Produkt ist nicht mehr der Garant für den Erfolg. Die neuen Geschäftsmodelle sind eine große Bedrohung für die Industrieunternehmen, zumal sie auch noch durch Leasing- und Sharing-Angebote erweitert werden. Die Gewinnmargen auf Neuprodukte verringern sich und die Kundenbindung wird durch den langfristigen Mehrwert von informationsbasierten Dienstleistungen (Fernwartung, digitale Fehlerdiagnose, Programmupdates...) rund um die Produkte gelockert. Wie die Sharing Economy, die vielfach als kleines App auf dem Smartphone erscheint, einen ganzen Berufsstand und eine ganze Branche bereits unter Druck gesetzt hat, sieht man an dem Taxi-Konkurrenten Uber7 und der Mitwohnzentrale Airbnb8.

Alarmierend ist, dass Europa sukzessive zu einer Datenkolonie für amerikanische Firmen wird, weil keine Firma mit der Datenauswertungsfähigkeit insbesondere des Technologiegiganten Google mithalten kann. Industrieunternehmen drohen so zu Zulieferern von Smart-Service-Anbietern zu werden. Auch deshalb, weil sie immer noch zu wenig erkannt haben, dass Informationen und Datenheute der lukrativere Teil des Geschäftes zwischen Menschen und Unternehmen sind.

These 8: Die Digitalisierung bringt die Entlohnungssysteme unter Druck.

Die Digitalisierung bringt sowohl in der Produktion wie auch im Verwaltungs- und Dienstleistungsbereich völlig neue Wertschöpfungsketten hervor und mit ihnen verringert sich die Wertschätzung der Mehrzahl der Beschäftigten. Standen bisher hochqualifizierte Entwickler und Ingenieure mit ihrem Exklusivwissen den bloßen Anwendern der digitalen Angebote wie Shared Services oder Ticket-Systemen gegenüber, so wird dieses Arbeitskräftepotential mithilfe digitaler Technik nun erheblich erweitert. Solo-Selbständige bzw. Beschäftigte von Drittfirmen oder ausländischen Töchterfirmen ergänzen über Crowdsourcing- und Social-Media- Plattformen (e-Collaboration) die indirekten Wertschöpfungslinien von Unternehmen. Die hohe Standardisierung und Prozessorientierung von Wertschöpfungsketten erleichtern die Nutzung und Einbeziehung des globalen Arbeitskräftepotentials. IT-gestützte Prozesse stellen die notwendigen Informationen bereit und strukturieren Schnittstellen neu.

Kaufmännische und administrative Berufe mit einem hohen repetitiven Anteil können nun von Arbeitskräften irgendwo auf der Welt erledigt werden. Auch hochbezahlte Fachexperten erhalten neue Konkurrenz, da Endprodukte oder Programme, die in Online-Communities entwickelt und bearbeitet werden, letztlich keiner einzelnen Person mehr zugeschrieben werden (Schwarm-Intelligenz) können. Der spezifische Beitrag des Einzelnen zum Ganzen wird immer schwerer identifizierbar und der Einzelne erfährt eine status- und entgeltbezogene Abwertung. Die Projektvergabe an Crowdsourcing-Plattformen oder über Wettbewerbe und die Bezahlung auf Basis von ausgeklügelten Bonus- und Prämiensystemen erzeugen neue Entlohnungsstrukturen.

Die digitale Infrastruktur mit ihren schnellen und billigen Cloud-Diensten macht es möglich, Informationen über Kontinente hinweg in Echtzeit auszutauschen. Projektbeteiligte kooperieren gleichberechtigt, entwickeln, diagnostizieren und lösen gemeinsam Probleme. Dem Unternehmen steht letztlich ein global vernetzter Informations- und Produktionsraum mit einer hohen einseitigen Wahlfreiheit offen. Bisherige nationale und branchenbezogene Entlohnungssysteme geraten unter Druck. Mithilfe konzernweiter Skill-Management-Datenbanken kann auf vorhandene Kenntnisse und Erfahrungen von internen und externen Mitarbeiter zugegriffen werden, d.h. Projekte können kostenoptimiert nur für spezifische Personen (-gruppen) im In- und Ausland ausgeschrieben werden. Skill-Datenbanken ermöglichen dem Arbeitgeber, Arbeitskräfte anhand von Kriterien wie Kompetenz, Alter, Entlohnungskosten zu vergleichen und daraus weitergehende Schlüsse zu ziehen.

Nicht zuletzt die Anwendung des hoch automatisierten Call-Center-Prinzips auf jegliche Formen von personenbezogenen und produktionsnahen Dienstleistungen gibt dem Unternehmen die Macht, Leistung und Produktivität von Personen detailliert zu bewerten. Gesprächs- und Bearbeitungsdauer, Service-Levels, Rückstandquoten, Warte- und Antwortzeiten sind genauso skalierbar wie Prozessdurchlaufzeiten und Programmiergeschwindigkeit. Das Ziel dabei ist zunächst, die eigenen Mitarbeiter optimal auszulasten; aber auch die bisherige Bemessungsgrundlage von Entgelt, nämlich Qualifikation, Leistung und Zeit, außer Kraft zu setzen, liegt nahe.

Obwohl für die global vernetzten Beschäftigten ihre jeweiligen nationalen Arbeitskulturen und rechtlichen Standards, ihre Qualifikationsunterschiede und ihr damit verbundenes Klassen- und Statusbewusstsein nach wie vor maßgeblich sind, ist eine gewerkschaftliche Organisierung kaum möglich, was letztlich auch zu einer Bewährungsprobe für Gewerkschaften wird10. Der engen virtuellen Zusammenarbeit von Beschäftigten stehen real zunehmend solitäre Arbeitsbedingungen gegenüber. Eine gemeinsame Betroffenheit über schlechte, ungerechte, sogar ausbeuterische Arbeitsbedingungen ist nicht mehr herstellbar, zumal jeder zu jedermanns Konkurrent um Arbeit wird.

These 9: Anonymes Arbeiten bietet neue Chancen.

Die digitalen Vernetzungs- und Informationsmöglichkeiten helfen, die Grenzen von Raum und Zeit zu verschieben, wenn nicht gar aufzuheben. Die Bindungen von Arbeit und Produktion an feste Orte, standardisierte Zeiten und stabile Organisationsformen lösen sich auf. Dadurch werden die bisherigen Konstanten unserer industriegesellschaftlich geprägten Erwerbssphäre in Frage gestellt. Hochqualifizierte Wissensarbeit verlagert sich ebenso wie spezifische Dienstleistungen auf virtuelle Kollaborations- oder Crowdworking-Plattformen.

Bei dem Vorreiter virtueller Arbeit IBM arbeiten mehr als 45 Prozent der 400.000 Angestellten und Mitarbeiter auf Zeit schon nicht mehr in Büros des Unternehmens11. Durch Home-offices und Telearbeit lassen sich Büroflächen reduzieren. Langfristig werden nur noch 2/3 der Mitarbeiter Firmenschreibtische haben.
Die Ort- und Zeitungebundenheit der Arbeit12 - oder noch weitergehend, das Arbeiten unter einem Pseudonym auf Crowdworking-Plattformen - bietet allerdings auch neue Chancen. Spezifische Personengruppen wie alleinerziehende Eltern, Menschen mit zu pflegenden Angehörigen, Menschen mit gesundheitlichen Handicaps (Behinderte, psychisch Belastete) und anderen sozialen Stigmata (Vorbestrafte) können davon profitieren. Sie können einerseits zu a-typischen Zeiten arbeiten, andererseits ersetzen die Qualität der Arbeitsleistung, die digitale Reputation und Auftraggeber-Referenzen die Bedeutung des klassischen Bewerbungsverfahrens mit der Aufschlüsselung des schulischen und beruflichen Werdegangs. Die technisierte und entpersonalisierte Arbeit ermöglicht zudem auch ein Entrinnen aus hierarchischen betrieblichen Kommandostrukturen.

Die negativen Folgen dieser digitalen, hochmobilen "Beschäftigung" dürfen allerdings nicht übersehen werden: anonymer Druck durch Auftragssysteme (Schnelligkeit, Terminbindung ...), ein hohes Maß an Selbstorganisation, fehlende persönliche Anerkennung durch die Reduktion auf die bloße Arbeitskraft, geringe Planbarkeit zukünftiger Arbeitsauslastung, eine unterdurchschnittliche Bezahlung und eine vielfach geringe soziale Absicherung.

These 10: Der Widerstand der Beschäftigten nimmt zu.

Die digitale Macht liegt in der Plattform und im Netzwerk und erzeugt damit neue Erwartungen an die Beschäftigten. Diese sind längst in gedämpfter Form mit der Aufforderung aus dem Roman „Circle" von Dave Eggers konfrontiert: „Secrets are Lies, Sharing is Caring, Privacy is Theft".

Die virtuelle produktive Teamarbeit über Abteilungen und Standorte hinweg (agile Teams) setzt einen breiten Informationsfluss und -austausch voraus. Alle Beteiligten sind nachdrücklich angehalten ihr Wissen und ihre Ideen den sozialen Firmen-Netzwerken, Firmen-Wikis und Foren zur Verfügung stellen. Die Beteiligung an den internen Kommunikationskanälen dient der sozialen Reputation und der Selbstdarstellung; das Engagement wird vom Arbeitgeber und Vorgesetzten genau beobachtet.

Es besteht die Absicht, die E-Mail-Nutzung in Richtung der sozialen Netzwerke (virtuelle Pinnwände) zu verschieben, weil man sich dadurch noch schnellere und transparentere Prozesse erhofft. Die Zahl der Beiträge von Einzelpersonen bzw. von Abteilungen dient vielfach schon als eine Grundlage für die Leistungsmessung und damit der Entlohnung. Shareconomy wird zum Muss und ist nicht mehr nur Möglichkeit. Schon F.W. Taylor sah es nicht gerne, dass der „normale Arbeiter" über ein spezifisches Erfahrungswissen verfügt und spaltete deshalb komplexe Arbeitsumfänge in kleine Schritte. Dadurch wird die Stellung des Einzelnen gegenüber den Vorgesetzten geschwächt und Personen werden austauschbarer. Was wir heute sehen, ist nun der digitale Taylorismus.

Noch gilt die Einsicht, dass die Motivation und das proaktive Engagement der Beschäftigten für die Produktivität eines Unternehmens ausschlaggebend sind. Ebenso ist Kreativität und soziale Kompetenz eine genuine Eigenschaft von Menschen. Deshalb ist zu hoffen, dass die Betroffenen diese mit der Digitalisierung einhergehenden Steuerungsmechanismen durchschauen und dass sich eine neue Solidarität ausbreitet. Für die Beschäftigten heißt dies, aktiv Wege zu suchen, sich innerhalb dieses sozialen Kontrollregimes einen Spielraum zu bewahren: durch den gefürchteten „Dienst nach Vorschrift" oder - den gewerblichen Akkordarbeitern ähnlich - durch eine gruppeninterne Einigung auf einen „prozentualen Akkord". Für die Unternehmen wird es eine große Herausforderung, ihre Beschäftigten langfristig für Social Media-Konzepte zu gewinnen und eine „Sharing Verweigerung" zu vermeiden. Gerade hochqualifizierte Experten sind inzwischen auffallend zurückhaltend, ihr Know-how mit Kollegen aus Niedrig-Lohn-Ländern bzw. Freelancern zu teilen. Das Bewusstsein für die digitale Verlagerung der eigenen Stelle wächst ebenso wie die Befürchtung, dass sich Industrie 4.0 als trojanisches Pferd herausstellen könnte, Produktivitätssprünge zu Lasten der Arbeitnehmer zu erreichen.

Ausblick

Das Internet als globaler Informations- und sozialer Handlungsraum schafft völlig neue Möglichkeiten, Ideen und kognitive Fähigkeiten zum Wohle der Gesellschaft zu nutzen oder auch brutal auszubeuten. Geht es nach einigen deutschen CEOs, ist dieser Megatrend unaufhaltsam. Gehören doch Begriffe wie Digitalisierung, Cloud Working, Big Data und Industrie 4.0. inzwischen zu ihrem Standardrepertoire, wobei sie stets betonen, keine Angst vor Google zu haben.13 Solche Äußerungen sollten allerdings misstrauisch stimmen: Entweder haben sie deren Absichten und Einfluss immer noch nicht erkannt oder verleugnen ihre eigene Machtlosigkeit. Fakt ist, dass Google das Internet und die Datenauswertung und damit strategische Geschäftsfelder "okkupiert". Die meisten deutschen Firmen aber haben den klassischen Maschinenbau und die Elektrotechnik in ihrer DNA.

Auch wenn die Dynamik, Qualität und die Quantität dieser digitalen Entwicklung schwer einzuschätzen sind, so muss klar, sein, dass es bei dieser Diskussion nicht nur um Technik, sondern um die Zukunft von Gemeinschaft und Gesellschaft geht. Sie wollen ihre libertären privaten Standards den demokratischen Verfahren entgegensetzen. Was sich visionäre Unternehmer im Silicon Valley, insbesondere Google, unter Digitalisierung vorstellen, geht weit über eine bloße wirtschaftliche Macht hinaus. Angst machen muss ihr Statement: „Die Demokratie ist eine veraltete Technologie (...); sie hat Reichtum, Gesundheit und Glück für Milliarden Menschen auf der ganzen Welt gebracht. Aber jetzt wollen wir etwas Neues ausprobieren."14

Eine freie, demokratisch strukturierte und wertegeleitete Gesellschaft darf sich von Technikexperten und Unternehmen die Arbeits- und Lebenswelt nicht vorschreiben lassen. Wachsamkeit, noch mehr Aufklärung und auch Regulierung sind gefordert.

Dr. Sandra Siebenhüter, 19. März 2015

 

Anmerkungen

1 Teil 1 erschien im Oktober 2014 (vgl. Denkzettel Nr. 37)  

2 Vgl. www.oxfordmartin.ox.ac.uk: The_Future_of_Employment.pdf

3 Vgl. http://www.bruegel.org: Chart of the week: 54 percent of eu jobs at risk of computerisation.

4 „Schon heute verbraucht die Cloud fünfmal so viel Strom wie Spanien, und bis 2020 werden Rechenzentren allein rund 30 Prozent der weltweiten Elektrizität konsumieren", so Meg Whitman, CEO von Hewlett Packard; VDI-Nachrichten vom 10.1.2014.

5 Vgl. http://store.nike.com/de

6 Das Unternehmen schaltet 1500 Biogas-, Solar- und Windkraftanagen zu einem virtuellen Kraftwerk zusammen, die je nach Bedarf über das Mobilfunknetz ein- und ausgeschaltet werden können; vgl. www.next-kraftwerke.de

7 http://www.nytimes.com: Uber's business model

8 http://www.zeit.de: airbnb-newyork-illegale-vermietungen

9 Etwa jene, die während einer Autofahrt erhoben werden und aus denen weitere hybride (produkt- und servicekombinierte) Geschäftsmodelle entwickelt werden können.

10 Vgl. Benner, C. (2014): Crowdwork - zurück in die Zukunft? Perspektiven digitaler Arbeit, Frankfurt.

11 www.pressebox.de:  Coworking-neue Formen der virtuellen Zusammenarbeit
12 Weitere Vorteile vgl. Fußnote 8.

13 Siemens-Chef Kaeser, 07.05.2014 im Handelsblatt, Daimler-Chef Zetsche, 24.06.2014 in Börse-online, Telekom-Chef Höttges, 28.10.2014 und Audi-Chef Stadler am 4.12.14 in der SZ.

14 vgl. https://www.bpb.de/apuz/202248/big-data-und-die-macht-des-marktes