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Shareholder Value passé?

Die unglaubwürdige Verlautbarung des US-Business Round Table (BRT)

Im Jahre 2009 befand der einflussreichste Verbreiter des Shareholder Value (SHV) und GE-CEO-Pensionär, Jack Welch: „Genau betrachtet ist Shareholder Value die dümmste Idee der Welt“. SHV ist ein Ergebnis, keine Strategie, die wichtigsten Interessensgruppen sind die eigenen Mitarbeiter, die eigenen Kunden und die eigenen Produkte.“ Dumm war in der Tat, dass Welch unter dem Signum SHV GE aus einer Electrical Equipment Comp. eine diversifizierte Financial Services Company machte. Seit gut drei Jahren befindet sich der Konzern im Rückbau.

Warum fand der SHV als Leitidee überhaupt eine so breite Akzeptanz? Im Nachhinein ist es leicht gesagt: Es handelt sich um eine Idee, deren Zeit gekommen war; sie passte in die amerikanische Unternehmenswelt der 1970/80er-Jahre nach einem Vierteljahrhundert Prosperität, weil sie den gestiegenen Gewinnerwartungen des Kapitalmarktes entsprach und Unternehmensleitungen legitimierte, Gewinne zu maximieren, losgelöst von jeder sonstigen Verantwortung. Die der Chicago School entstammende und von anderen weiterentwickelte Idee wurde zur Maxime von Corporate Governance; sie war Anbeginn der „Financialisation“, der bedingungslosen Orientierung am Kapitalmarkt und der Deindustrialisierung der US-Wirtschaft.

Maximierung einer Größe ist leichter zu managen als eine Vielzahl von Zielen zu berücksichtigen. Dieser Logik folgten in den 1980/90er Jahren Konzepte zur Einsparung von Aktiva und von Personal, die Auslagerung von Funktionen und Verlagerung von Geschäften, das Aufblühen von M&A zur Erlangung größerer Marktmacht und höherer Margen. Reduziert wurden die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung und die Investitionen in die Produktion. Die Ausrichtung von Unternehmen war kohärent. Das Einverständnis der Wallstreet war gegeben und der Einfluss des Investmentbanking nahm stark zu. Berater von „Strategy & „Value“ standen bereit, bei der Ausformung des SHV die Schlüsselrolle einzunehmen: Stern & Stewart (jetzt Stern Value Management), Bain, Boston Consulting, McKinsey und weitere. In den Business Schools mehrten sich die Kurse zu Financial Engineering; ihre Absolventen erfuhren von Innovation und Wertschöpfung in der Produktion nur noch am Rande. Nach der Finanzkrise von 2008 wurden ein paar Stunden in Business Ethics draufgesattelt. Das Paradigma des SHV war etabliert.

Warum ist die Abkehr vom SHV nicht glaubwürdig?

Der Business Roundtable, die einflussreichste Lobby-Gruppe der amerikanischen Wirtschaft, nämlich die 200 CEOs der wichtigsten Unternehmen, hat sich im August dieses Jahres auf eine Neudefinition des Unternehmenszwecks geeinigt. In Zukunft soll es um „improving our society“ gehen. Der PURPOSE (Unternehmenszweck) ist nicht viel mehr als eine seichte Neuauflage dessen, was Peter Drucker vor 50 Jahren begründet ausformulierte. Die Umkehr hat allerdings sehr lange gebraucht und der Zeitpunkt ist suspekt: just vor der US-Präsidentschaftswahl und angesichts der immer heftiger werdenden Kritik vor allem der Jugend am „kapitalistischen System“. Zu den 181 Unterzeichnern zählen Firmenvertreter, die in besonderem Maße Profiteure des SHV sind: die übermächtigen Distributionsgiganten („Amazon- and Walmartization of America“), von Johnson & Johnson (Opioid crisis), Boeing (737 Max -Debakel), Visa (Gewinnspanne von 53%), Apple (Meister in Outsourcing und Steuervermeidung).

Eine Konkretisierung des neuen PURPOSE wurde in Aussicht gestellt. Solange aber nicht die exzessive CEO-Vergütung (100 bestbezahlte CEOs verdienen in den USA das 250-Fache des Durchschnittseinkommens ihrer Mitarbeiter), die explodierten Aktienrückkäufe (2019: 940 Mrd. USD), die aggressive Steuervermeidung (Amazon zahlte 2018 keine Bundessteuern bei einem Gewinn von 11,2 Mrd. USD) und die folgenlose Umgehung von Regulierung angegangen geschweige denn korrigiert werden, bleibt die BRT-Deklaration eine PR-Aktion.

September 2019, Manfred Hoefle

 

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